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Die Geschichten die du einst über das Reich Valeria hörtest gehören mittlerweile der Vergangenheit an. Es wurde bei einem Vulkanausbruch zerstört und nun befindest du dich auf einer unerbittlichen Reise auf der Suche nach einer neuen Heimat. Viele werden diesen Marsch nicht überleben, manche werden sich von dem König abwenden doch wieder andere tragen den unzerstörbaren Keim der Hoffnung in ihren Herzen. Gehörst auch du zu jenen Geschöpfen? Oder schlägt die Dunkelheit bereits Wurzeln in deiner Seele?
Das Pass Into Oblivion ist ein textbasiertes Rollenspiel in welchem du in die Rolle eines Pferdes schlüpfst. Dazu kommt, dass du deinen Charakter mit der Hilfe unseres kreativen Teams selbst gestalten kannst, denn auf Wünsche gehen wir natürlich sehr gerne ein! Schau dafür gerne einmal auf unserem Discord-Server vorbei!
NEUIGKEITEN
Alle aktuellen Neuigkeiten findet ihr hier.

29.05.2024 - Plot: I. Auf alte Zeiten
28.03.2024 - Frohe Ostern!
22.12.2023 - Frohe Weihnachten!
01.10.2023 - Der neue Zeitraum [...]
29.09.2023 - Die ersten Quests
29.09.2023 - Die neue Umgebung
26.09.2023 - Zwischen I. Sterbende Welt und [...]
22.09.2023 - Abschluss des Kapitels I. Sterbende Welt
DIE HELFENDEN HÄNDE


ROLLENSPIELINFORMATIONEN
Der Tod der Königin wurde offiziell bekannt gegeben und die Suche nach ihr eingestellt. Der Inplayzeitraum beläuft sich vom Sommer bis Herbst. Das Wetter ist im Spätsommer warm und die Temperaturen liegen zwischen 25°C bei Nacht und 35°C bei Tag. Der Wald bietet der Herde Schutz vor übermäßiger Hitze und der See wird kontinuierlich aus dem Gebirgsfluss gespeist.

Im Herbst ist das Wetter wechselhaft und stürmisch. Die Steilküste wird zu einem ungemütlichen und auch gefährlichen Ort. Temperaturen zwischen 15°C und 25°C schlagen sich immer wieder mit Herbstgewittern nieder.

Stand: 28.03.2024

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I. Auf alte Zeiten
15. Herbst 83, nachmittags | Lichtung im Wald | Schicksalsschlag, Nero Valerius, Penthesilea Achilléas, Anchor Aegidius, Spartacus Licinius, Ceres Acillius, Ezrael Achilléas, Sayyirah, Vesta Acillius, Desmond Aegidius, Aaron Miles, Nyke Astoria, Tuana Licinius, Karthago Dracas, Ares Licinius, Nova Odyssey, Rhíon, Artemis Miles, Álvaro, Kachina, Fawna Miles, Gaia Acillius, Lyrae, Hestia Dracas, , , Damhnait, Acalo Aegidius, Lucian Astoria, Cyan
#91
Womöglich war das hier ein törichter Fehler gewesen. Sie hätte wissen sollen, dass Lyrae nicht unter anderem diesen Abend aus Eigennutz für sich im Sinn hatte. Nicht, dass Rhíon ihrer Freundin misstrauen musste oder die Rappstute sie in eine böse Intrige geführt hatte, Lyrae aber hatte immer schon ihre eigenen, harmlosen Spielchen im Sinn gehabt. Dieses hier aber war nicht harmlos. Auch, wenn die schwarze Dame es nicht hätte wissen können, war das hier ganz und gar nicht harmlos. In ihrem Herzen wurde es klamm, finster und trüb und alle Hoffnung oder Zuversicht, die sie sich selbst die letzten Tage zugeredet hatte, waren verflogen. Ihr Blick hatte sich an den tanzen Paaren festgekettet, war den Schritten Neros, ihres Ziehbruders, des Königs, gefolgt bis sie das hübsche, braune Mädchen betrachtete, dass in ihrer Leichtigkeit mit ihm tanzte. Und hatte Nero gelächelt? Etwas stach in Rhíons Brust hetzte ein Stechen gegen ihren Atem. Auch ihre Lächeln hatte einst diese Wirkung hervorgebracht; sowohl im Volk wie im Adel. Womöglich weinte sie alten Geistern nach. Wie aber konnte sie diese Tatsache nicht nach wie vor traurig stimmen, wenn ihr Effekt so allgegenwärtig war? Oder verrannte sie sich hier tatsächlich in eine Einbahnstraße, aus der sie nur schwer wieder entkommen würde? Am liebsten wäre sie nicht hier. Am liebsten wäre sie mit Alvaro zurück geblieben. Der Falbe hatte eine merkwürdig beruhigende Wirkung auf sie. Am liebsten wäre sie im Wald, den Lehren Ezraels aus den vergangenen Wochen nachgehend. Am liebsten wäre sie wieder in jenen Schatten, derer sie sich an jenem Abend mit Anchor im Gebirge endgültig entsagt hatte.

Ares' Stimme holte sie aus ihren Gedanken und lenkte die Augen aus warmem Braun in das markante Gesicht des Soldaten. Der Klang seiner Worte war beinahe behutsam. Sein Blick aber wirkte geplagt. Aus der Ferne vernahm sie die weiße, elegante Gestalt Tuana's und senkte entschuldigend das Haupt. Hier war sie wieder und entschuldigte sich. Bei jedem - für alles. Ihre Seele seufzte. Das war alles so ermüdend. Warum war sie gleich hier?
Endlich hatte sie sich gefasst und nickte Ares zu. Sie sollte nicht mit ihm sprechen. Nicht so offen, nicht wenn sie um Tuana's Aversionen wusste. Und dennoch wollte, konnte sie sich nicht ohne weiteres von Ares Licinius lösen. Seine Gesellschaft fühlte unerwartet beruhigend an. "Ja," antwortete sie ihm mit ruhiger Stimme. "Jetzt geht es wieder. Danke, Ares." Verstohlen neigte sie den Blick, suchte nach dem Mut für die nächsten Worte. "Und... euch? Wie geht es euch." Eindringlich sah sie ihn dann an. Sie würde es nicht aussprechen. Der Licinius würde verstehen. Immerhin hatten sie diese geheime Allianz gegründet, um eben im Verborgenen zu existieren. Sie würde ihren Pakt wahren. Der Ehre wegen? Oder der Art, wie es ihr möglich war, ihm dadurch furchtlos in die bernsteinfarbenen Augen zu blicken? Es war nicht einmal mehr schwierig, Desmond auszublenden. 
Dennoch. Danae hatte sie besseres gelehrt. Sie würde nur nach seinem Wohlbefinden fragen. Nur seine Antwort abwarten und sich dann höflich verabschieden. Es gehörte sich nicht in aller Öffentlichkeit mit ihm zu sprechen. Nicht wahr? 

Ares

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#92
Schon während sie auf die Tanzfläche zuhielten, drehten sich einige neugierige Gesichter in ihre Richtung. Aus dem Augenwinkel glaubte Ceres zu sehen, wie Desmond ihr einen kurzen Blick zuwarf. Ihre Mundwinkel zuckten. Ja, sollte er nur sehen, dass sie es geschafft hatte. Dass sie es wahrhaftig vollbracht hatte, Karthago Dracas dazu zu bringen, mit ihr zu tanzen. Dabei war gleichgültig, wie und warum. Es zählte nur, dass es geschah und andere auf einen schmeichelnderen Grund schlossen, als die Wahrheit. Ceres hielt sich nicht zu lange mit der Aufmerksamkeit anderer auf. In diesem Moment sollte sie ganz bei sich selbst sein. Bei ihrem Auftreten, ihren Schritten und den Dingen, die ihren Mund verließen. Bedacht reihte sie sich neben Karthago ein und ließ sich von ihm führen und achtete darauf, bei jeder Drehung den Schweif so zu schlagen, dass er das Licht brach. Zu keiner Zeit ließ ihre Körperspannung nach. Ihr Leib formte einen perfekten Bogen, wann immer sie sich im Kreis drehten und ihre Hufe stießen bei keiner Figur gegeneinander. Sie war stolz auf das, was sie präsentierte. In einigen Dingen mochte sie nicht das bieten können, was ihre Schwester zutage brachte, aber zumindest die gute Erziehung, die sie genossen hatte, konnte sie vorweisen.

Am Rande des Geschehens stand Aarin Miles, die sich mit aller Macht gegen Liara stemmte und Ceres bedauerte beinahe, dass sie es nicht vollbrachte sich loszureißen und zu ihnen auf die Tanzfläche zu stürmen. Es hätte für Gespräche gesorgt, Aarin die Option Karthago endgültig genommen und Ceres in einer Geschichte auftreten lassen, die ein positives Licht auf sie fallen ließ. Noch dazu wäre es sicher von Vorteil, wenn man ihren Namen in Verbindung mit Karthagos hörte. Hoffnung bildete sich tief in ihr. Einem Tanz würde ein zweiter folgen und dann würde…
Karthagos zweischneidiges Kompliment traf sich härter, als sie es sich anmerken lassen wollte. Derartige Bemerkungen waren ihr gewiss nicht neu, doch auch Bekanntes schmerzte. Der eigene Ruf war die erste Waffe, die man vorzuweisen hatte. Ihrer machte sie weder interessant noch erweckte er Respekt. Er machte sie lächerlich. Während sie versuchte trotz der unsensiblen Worte Haltung zu bewahren, wurde ihr augenblicklich klar, dass sie die ganzen letzten Minuten in Gedanken zu keiner Zeit bei ihrem Gegenüber gewesen war. Vielleicht war das auch besser so, denn Karthago Dracas machte sie fassungslos. Nicht nur gab er ein Kompliment an sie weiter, was gut und gerne auch als Beleidigung hätte durchgehen können, nein, allem Anschein nach schien er darüber hinaus auch weder viel von ihren Bemühungen, noch von ihrer Familie zu halten. Er besaß nicht einmal den Anstand dies für sich zu behalten.

"Schließt nicht von Euch auf mich. Ich fürchte die Ehe nicht."
Die patzigen Worte und das unausgesprochene 'Nicht so wie Ihr' entkamen ihr, bevor sie es verhindern konnte. Aber konnte man es ihr verübeln? Bei Gott, warum war denn jeder hier so vollkommen verblendet? Sollte es wahrhaftig ihre Aufgabe sein, jedem Mann im heiratsfähigen Alter zu erklären, was seine Pflichten waren? Ceres beschloss in diesem Moment, dass alle um sie herum vollkommen übergeschnappt waren. 
"Keine Sorge, Ihr wärt ohnehin nicht meine erste Wahl."
Die spitzen Worte waren eine Lüge. Hätte er ihr einen Antrag gemacht, hätte sie diesen augenblicklich angenommen. Es war nun mal so, das mögliche Gatten bei ihr nicht gerade Schlange standen. Aber nun wurde ihr unverblümt offenbart, dass Karthago kein ehrliches Interesse an ihr hatte, noch an irgendeiner der anderen, zahlreichen Damen, an dessen Aufmerksamkeit er sich gewiss erfreuen durfte. Früher oder später würde er heiraten müssen und wenn es soweit wäre, würde Ceres sich gewiss nicht zieren, aber dass er derart versuchte auf ihr und den Werten, die ihn überhaupt so weit gebracht hat, herumzutrampeln…

"Meine Familie scheint sich mit dem Festhalten an alten Traditionen recht gut zu schlagen."
Wie sonst sollte man stetig ansteigenden Einfluss bezeichnen, wenn nicht als Erfolg? Vermutlich glaubte er nicht einmal selbst an das, was er da sagte. Oder aber—schreckliche Vorstellung—er war tatsächlich von seinem Gerede überzeugt. Ob er sie bekehren wollte? Es wäre gewiss mehr nötig, als ein hübsches Gesicht, um sie davon zu überzeugen, dass das affige Rumgehampel gewisser Individuen eine bessere Zukunft für sie bereithielt. In gewisser Weise war Karthago für sie verloren, denn er hielt an der neuen Welt fest, der neuen Freiheit. Lachhaft, dass gerade er so viel Zeit mit einem Miles verbrachte.
"Haltet Ihr alle Ideen, die Eurem Kopf entspringen, für überlegen?"
Es war eine ehrliche Frage, denn er schien ja auch ehrlich davon überzeugt, dass ihre Ansichten die falschen waren. Mit einer eindrucksvollen Drehung bewegte sie sich mehrfach um die eigene Achse, bevor sie sich wieder im Einklang mit Karthago bewegte. Sie lächelte spitz.
"Oder seid ihr einfach nur arrogant?"
Zu viel, schalte sie sich selbst, aber nun konnte sie die Worte auch nicht mehr zurücknehmen. Ihre Großmutter musste schließlich nicht erfahren, was sie sich hier draußen erlaubt hatte.

Karthago

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#93
"Keine Sorge, Ihr wärt ohnehin nicht meine erste Wahl." Oh? Ein Schmunzeln hüllte seine Überraschung in einen Ausdruck, den man leicht überlesen konnte. "Und dennoch eine Wahl." Ob sie es leugnen würde? Es war gleich. Denn wie ihr, ging es auch ihm. Er konnte um sich schlagen und toben wie er wollte, am Ende würde selbst ein Karthago den Befehlen seines Vaters erliegen. Wenn Dracerion es wirklich darauf anlegen sollte, würde sein Sohn sich beugen oder eine Rebellion heraufbeschwören müssen. Der Gedanke an letzterem missfiel ihm nicht. Leider widersprach die Natur einer Rebellion allerdings allein schon per Definition dem, was der Rappe sich für das allgemein Volk, sogar für diesen Haufen übergeschnappter Adeliger und ihren Luftschlössern wünschte: Frieden und Sicherheit. Man sollte von ihm behaupten was man wollte, es war ihm gleich. Läge ihm aber nichts an der Welt und der Gesunderhaltung ihrer, wäre er dieser gesamten Bagage gar nicht erst über die Seeenge gefolgt. Er hätte sie ziehen lassen und wäre in seinem eigenen Feuer verendet - so, wie er es sich selbst viel zu oft einstweilen wünschte. 
Eine traurige Erkenntnis. All sein Kampf und Gebaren und es führte ihn nirgendwo. Nie weiter als an die Grenzen. Wie überaus passend, dass er selbst der Gebieter dieser war. Der Sarkasmus des Himmels. 

"Meine Familie scheint sich mit dem Festhalten an alten Traditionen recht gut zu schlagen." Er mochte es. Dieser Ton, der sich langsam spitz in Worte züngelte, in die sie so viel Stärke zu setzen glaubte. Zu schade, dass ihre Worte selbst ihm nicht zu Gefallen reichten. "Und wie schlagt ihr euch, Ceres?" 
Nun gut. Man musste auf dem Boden der Tatsachen bleiben. Keiner von ihnen schlug sich sonderlich schlecht. Sie hätten es beide noch deutlich bedauerlicher treffen können. 

"Haltet Ihr alle Ideen, die Eurem Kopf entspringen, für überlegen? Oder seid ihr einfach nur arrogant?" Oh, besser. Herausfordernder, deutlich wackerer als erwartet. Und vor allem: wider alle Erwartungen, die ihre gute Erziehung an sie richtete. War es ihr selbst bewusst? Vielleicht würde er sie weiter in ihrem Glauben lassen. "Womöglich beides." Wieder das lasche Grinsen. So eilig hätte ein außenstehender Betrachter es für eine Nettigkeit, eine Avance oder charmante Geste halten können, die der ledige Dracas der ledigen Acillius schenkte. Fakt war jedoch, dass sie mit genau dieser Aufmüpfigkeit, dem Versuch ihre Familie vor seinen missgünstigen Worten zu verteidigen, genau das Gegenteil bewirkte. "Eure Familie schert sich nicht um eure loyalen Worte, sondern den Status eurer nicht existenten Ehe und der Gebärfreudigkeit eures Beckens." Und beinahe hatte er Mitleid mit ihr. Sie scherte sich so sehr darum, jemandem zu gefallen, für den sie wohl mit jedem anderen Kind, das sich besser an die Regeln des Hauses hielt, austauschbar war. 
Sie selbst war wohl nicht mehr als eine leere Hülle, verstand nicht, dass sie all ihr Selbst in die Hände anderer gelegt hatte und diesen Pfand niemals für sich selbst einlösen können würde. 

Wieder wandten die Körper sich in eleganten Drehungen, hier ein graziler Schritt, dort ein galantes Fortschreiten. Ein schönes Bild, wie sich die Adelskinder so synchron bewegten und in einem Tanz wogen, über dessen Rhythmus sie absolut keine Kontrolle hielten. 
Letztlich kamen die Körper doch zum stehen, die kurze Pause zwischen dem Auftakt und dem Hauptteil in Ruhe verweilend. "Mir persönlich gefällt diese Aufmüpfigkeit an euch deutlich besser. Euer eigener Charakter steht euch." Die nächste Verneigung, sein Haupt so nah an dem der Füchsin, ihr Langhaar das Licht in rote Wellen legend. "Diese leere Hülle, die ihr präsentiert..." Ein, zwei Schritte von einander entfernt. Im nächsten Takt wieder die Nähe des anderen erforschend. "...beraubt euch jeglichen Wertes. Was habt ihr dem Reich schon großes zu präsentieren außer besagtem Schoß? So ein vergeudetes Potenzial." Sie alle sollten zur Hölle fahren. Er gab nichts auf ihr Urteil; auf seine Verurteilung durch sie. Sie alle waren ein Haufen untätiger Ameisen, die nur darauf warteten, dass irgendwann der Himmel über sie hereinbrach. Und wenn alle Hölle sich wieder öffnete und sie hinabriss, wer von ihnen wäre dann noch bereit für sie zu kämpfen? Die meisten von ihnen sprachen nun ach so heilig von Werten und Moral und wären doch die ersten, die Flucht zu ergreifen und alles hinter sich zu lassen. Er würde ihnen nicht verzeihen. Er wollte ihnen nicht verzeihen.

Der letzte Tanz und dann kamen sie zum Halt. Die letzte Verbeugung und die Menge begann sich aufzulösen. Einige von ihnen verweilten, blickten ihrer neu geglaubten Liebe in die Augen. So bitterlich schön, dass es ihm die Übelkeit die Kehle hinauftrieb. Pure Heuchelei. Und sich dieser Heuchelei hingebend, verweilte auch er noch bei der jungen Ceres. Vielleicht war es tatsächlich ihre unerwartete Aufmüpfigkeit, die ihn noch hier hielt und nicht längst schon zum Gehen bewegt hatte. Vielleicht interessierte ihn tatsächlich, ob sich nicht doch mehr als nur ein kleiner Glimmer hinter den hübschen Augen befand - oder sie doch nicht mehr als eine ausgestopfte Puppe war. 
"Als Dank für den Bruchteil an Wahrheit, den ihr mir eben vor die Füße gespuckt habt, will auch ich euch etwas Wahrheit zurückgeben. Glaubt ihr, ich bin wahrlich ein Drache, Ceres? Natürlich nicht. Alle Welt weiß, dass die Sagen und Legenden der Dracas Familie und ihrer Herkunft des Drachenbluts nicht mehr sind als alte Märchen. Und trotzdem nennen sie mich den Drachen. Trotzdem werde ich ehrfürchtig erblickt, mit Vorsicht genossen, von den meisten geduldet wohl nur aufgrund ihrer Furcht und dem bisschen Respekt, das sie meinem Können und dem großen Namen entgegenbringen. Es ist egal, was mein tatsächlicher Ursprung ist. Indessen bin ich der Drache Valerias." 
Die letzten Worte hatte er beinahe angewidert ausgespuckt. "Und ihr seid nicht mehr als die Enkelin der Gaia Acillius. Und damit ihr in eurem hübschen Köpfchen nicht wieder die Dinge verdreht: das war keine Beleidigung." Als läge Dringlichkeit in der Intention ihr jene Wahrheit näher zu bringen, war seine Stimme in jenem Moment ruhiger, betonender. In einer anderen, besseren Welt hätten sie wohl gut zusammen gepasst. Zur Hölle, vielleicht taten sie das auch jetzt. Die Umstände aber würden nicht zulassen, dass eine Acillius, der der Ruf der Welt zu viel bedeutete, und ein Dracas, der nichts mehr auf all das gab, zueinander finden sollten. Nein. Dafür hatte ihresgleichen zu viel in ihm ausgelöst. 
Endlich richtete er sich gänzlich auf, der Blick noch immer auf sie herab gesenkt und begutachtete ihr Gesicht eindringlich. Einen Augenblick musste er an Artemis denken. "Deutlich hübscher, ohne diese langweilige Maske." Und irgendwo in der Menge ächzte Aarin Miles schmerzverzerrt auf. Wenigstens diesen Triumph würde er Ceres lassen. 



Ceres

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#94
"Euer Vater wäre auch eine Wahl", rief sie ihm ins Gedächtnis. Keine bevorzugte Wahl, gewiss, aber dennoch eine. Er sollte sich nichts darauf einbilden, dass sie nicht verneinte. Selbstverständlich besaß er Rang und Namen, aber es gab noch viele andere, die dies vorzuweisen hatten. Inklusive Mitglieder seiner eigenen Familie.
Und dennoch konnte sie ihn nicht einfach abweisen, denn seine Worte brachten sie zum Nachdenken. Sie zweifelte keineswegs an ihrem eigenen Standpunkt, aber sehr wohl an der Art, wie man sie wahrnahm. War es das, als was Karthago sie im Inneren gebrandmarkt hatte? Als ein hilfloses Mädchen, welches sich in den Fängen einer zurückgebliebenen Familie befand und sich von den Wünschen und Träumen anderer leiten ließ, nicht wissend, was es selbst wollte? Er kritisierte, dass man ihren Wert anhand der Kinder maß, die sie in die Welt gebracht hatte, aber woran sollte man ihn sonst messen? Wer seinen Platz in der Gesellschaft nicht einnahm, hatte kein Recht darauf, ihre Vorzüge zu genießen. Sie kannte ihren Platz und sie hatte auch kein Problem damit, ihre Aufgaben zu erfüllen. Das einzige Hindernis war, alles für die strahlende Zukunft vorzubereiten. Dennoch interessierte sie insgeheim, wie angemessenes Verhalten in Karthagos Welt aussehen sollte.
"Haltet Ihr das Vorhaben, für Nachkommen zu sorgen, für unwichtig?" Oder vielleicht sogar rückständig? "Ist eine Familie nichts, was ihr wollt?" Überaus sonderbar. Ceres hatte tatsächlich schon in sehr jungen Jahren auf ihr erstes Kind hingefiebert. Nicht nur, weil es ein Zeichen der Erfüllung ihrer Bestimmung sein würde, sondern auch, weil sie es wahrlich genoss, sich mit Kindern zu umgeben. Aber bei den Herren verhielt sich dies bekanntermaßen anders.

Der Tanz endete und sie sahen sich fest in die Augen. Wäre Karthago nicht stehen geblieben, hätte Ceres die Bewegungen einfach weiter fortgeführt, nicht bemerkend, dass die anderen Paare sich längst von der Tanzfläche entfernten. Die Tatsache, dass er bei ihr blieb, würde auf Außenstehende vielversprechend wirken. Wie anders die Realität aussah. Sie wollte sich bereits verneigen, diesem Gespräch ein Ende setzen, doch da beugte er sich vor, kam ihr ein wenig näher. Sein Atem strich über ihren Hals und die Spitzen ihrer Mähne wogen sich leicht im aufkommenden Wind. Ein Schaudern erfasste ihren Körper und in der Nähe ihres Magens fand sich ein seltsames Ziehen ein.

"Deutlich hübscher, ohne diese langweilige Maske."

Obwohl der Herbst milde Temperaturen versprach, wurde es wärmer. Ihr Blick huschte über die breite Brust Karthagos und blieb etwas zu lange an dem lackschwarzen Fell hängen, bevor sie den Kopf schüttelte. Was auch immer er da gerade tat, er versuchte sie zu verwirren. Sie musste zugeben, dass er ein einnehmendes Spiel spielte, obwohl sie nicht ganz verstand, wie er ihr so einfach die Konzentration entreißen konnte. Doch sie weigerte sich, klein beizugeben.
"Ihr hört Euch an, als würdet Ihr Euren Ruf verabscheuen, dabei ist es gerade eben jener, der Euch so viel ermöglicht. Verabscheut Ihr wirklich das Leben in das Ihr geboren wurdet, oder nur die Verpflichtungen, die zu so vielen Privilegien dazugehören?"

Karthago

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#95
Nur für wenige Herzschläge verweilte das Bernstein noch auf Vesta, die ihr Geschick wohl einzusetzen wusste, sonst wäre sie wohl kaum mit seinem Onkel auf der Tanzfläche gelandet. Oder aber Nero kam der Bitte dieser Dame aus reiner Höflichkeit nach, aus Mitleid ihr gegenüber, weil sich sonst keiner ihrer annehmen würde. Doch letzteres glaubte selbst der Licinius Erbe nicht. Nicht auf einer Veranstaltung wie dieser. Damen boten sich hier teilweise bereitwillig an. Wie Vieh. Die dunklen Mundwinkel zuckten in einem Anflug von Amüsement nach oben. Der Vergleich war wirklich zu passend. Aber er selbst würde noch warten wollen, während er sich dies aussuchen konnte, wurde es anderen nicht vergönnt. Erneut ruhte sein Blick für einen Moment zu lange auf dem frisch vermählten Paar, bevor der Dunkelfuchs wieder Anchors Blick suchte, dieser stur wie ein Ziegenbock die tanzenden Paare beobachtet hatte. Ob es ihm fehlte? Nicht das tanzen, sondern die Zweisamkeit. Irritiert schüttelte Spartacus sein Haupt, sich wieder auf das gelittene Ansehen des Fuchses fokussierend. Dass er Vesta nicht kannte interessierte ihn nicht mehr. Die Zeit würde zeigen, ob die Stute verweilen oder untergehen würde. Es wäre ihm gleich. Vorerst.

Der Licinius presste die dunklen Lippen zu einer schmalen Linie zusammen, als er Anchors Worte in seinem Ohren vernahm, die ihm überhaupt nicht zufrieden stimmten und Anchor ihn wohl zu vertreiben versuchte. Spartacus Ohren drehten sich Richtung Nacken. Da versuchte er einmal mit diesem zurückgebliebenen Fischkopf ein halbwegs normales Gespräch zu führen und alle, was er erwidert bekam, hätte ihm Anchor auch genauso gut vor die Hufe kotzen können. Spartacus Nüstern kräuselten sich. Und DU hast nicht länger das Recht dich in deinem ekelhaften Selbstmitleid zu suhlen., warf er Anchor innerlich gegen die breite Stirn. Der Dunkelfuchs seufzte aus. Wahrscheinlich waren sie einfach nicht dafür geschaffen eine ungezwungene lockere... Plauderei zu führen. Aber jetzt Anchor, eben wie ein kleines Kind, den Rücken zu kehren, war auch nicht seine Manier. Tatsächlich wäre es dies früher gewesen.
"Ich bin nicht länger ein Kind. Und du bist zu einem langweiligen alten Greis mutiert", murrte Spartacus und schloss für einen Moment die Lider. Er könnte sich wahrlich zu Alvaro gesellen, dann konnten sich die zwei Krüppel in Ruhe anschweigen. So wie es sich gehörte.
Der Licinius hätte nicht noch eine Antwort erwartet, doch sie kam und jene war wie erhofft. Sicher. Sein königlicher Onkel. Es war so klar gewesen, sodass er eigentlich nicht hätte nachfragen müssen. Nero und Garrus waren wohl die einzigen, die sich freiwillig mit Anchor abgaben. Und die anderen, weil sie es mussten, sei es dem Soldatentum wegen oder aus einem anderen Grund.

Angestrengt versuchte Spartacus derweil Wortfetzten von dem zu verstehen, was Aaron an Penthesilea hinbrabbelte. Sie wirkte höflich wie immer, während der Miles völlig den Verstand verloren zu haben schien. Seine Gesten waren zu ausschweifend seine Worte gerade so laut, sodass Spartacus diese vernehmen konnte und dann unterbrach Anchor sein Vorhaben, die Nüstern dich an sein Ohr geneigt und oh am liebsten hätte er dem Ausbilder seine Zähne ins Gesicht gebohrt. Ein schiefes Grinsen zuckte über Spartacus Gesicht. "Wie recht du doch hast." Er konnte ihn nicht ausstehen und dies war ihm nun mehr als bewusst, nachdem es ihm Anchor nochmals unter die Nase gerieben hatte. Sein Kopf fuhr herum, die sichtliche Überraschung aus seinem Blick nicht verbergen könnend. Er sollte was? Schmunzelnd schüttelte er leicht den Kopf und wandte dann seinen Blick wieder den Dreien zu. "Es ist okay." Seine Muskeln zitterten. Er käme damit klar. Seine Kiefer trafen abermals hart aufeinander, seine Zähne knirschten und das Bernstein schien zu glühen. "Ich-", just in den Moment passte Gaia Neptun und Penthesilea ab, und Aarons Plan schien nicht aufzugehen. "Ich verzichte darauf ihn umzubringen." Sprach Spartacus knapp und zuckte mit den Schultern. Aber er würde Aaron definitiv daran erinnern, wo sein verdammter Platz war. Ein Schnauben verließ seine Nüstern. "Wenn du mich nun entschuldigen würdest", er würde ihm die Fresse polieren gehen. Zumindest ein wenig. "wir sehen uns beim Training." Oder auch nicht. Ihm egal. Der Dunkelfuchs richtete sich auf und schenkte Anchor keinen weiteren Blick, suchte auch nicht mehr nach seinem Onkel, sondern schritt erhobenen Hauptes davon in Richtung Rand der Gesellschaft. Dort wo er Aarons dreckigem Leib ausmachen konnte, dieser gerade dabei war sich Beeren in sein Maul zu stopfen. "Mögest du daran ersticken", spie er ihm weniger freundlich ins Gesicht und in einer schnellen Bewegung, diese er sich von den Valkyren abgekupfert hatte, versuchte er Aaron das rechte Vorderbein wegzuschlagen, sodass diese Beerenfresse mit ihrem Gesicht voran darin landen würde. Hätte er verdient.

Erst Anchor, dann bei Aaron

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#96
"Ha!" Karthago lachte laut auf. Und als seine dunkle Stimme unerwartet lose durch den offenen Raum surrte, fand sich etwas Leichtigkeit in seinem dunklen Gesicht. Sein Vater? Ein amüsanter Gedanke. Bislang hatte er Dracerion wenn überhaupt eher an der Seite ihrer Großmutter gesehen. Ceres und Dracerion? Er konnte nicht einmal vermuten, ob sie es ernst meinte oder sich lediglich vom Moment dieser witzelnden Unterhaltung hinreißen ließ. 
"Ich hatte euch nicht für eine Vertreterin des Masochismus gehalten. Scheiße, das würde ich euch nicht wünschen." Er meinte es. Sein Blick legte sich abschätzend auf ihren Körper. Er taxierte jedes gleißende Haar, an dem sich das Licht subtil brach und in loderndem Rot strahlte. Ceres war schön. Alles, was ihm dieses glänzende, glatte Fell aber in Gedanken rief, war diese unnütze Mühe, die sie wohl Tag ein Tag aus in die Pflege ihres Äußeres verschwendete. Er kam nicht umhin, sich die Szenerie vorzustellen. Beinahe noch amüsanter als sie an der Seite seines Alten zu sehen, fand er die Vorstellung, dass Juno Acillius ihre Töchter mit strenger Stimme ins kalte Wasser schickte und sie diese unnötige Handhabung lehrte. Wie bedauerlich, was aus dieser Brut geworden war. Aus ihnen allen. 
Sein Blick wanderte über die Damen im Haufen all des blauen Blutes. Wahrscheinlich hatten sie diese Prozeduren über sich ergehen lassen. Wohl so lange, bis ihnen nichts anderes übrig geblieben war, als einen Sinn darin oder gar Gefallen daran zu finden. Etwas wie Mitleid flackerte in ihm auf, bevor ein kühler Windzug - seine Abneigung - das Flickern erstickte. 

Ceres sprach in solch einer Ernsthaftigkeit über die Zukunft ihres Schoßes, dem Spross der Lenden eines künftigen erwählten, dass er echauffiert die Stirn in Falten lag. Er hob die imaginäre Braue, ein schroffes Lächeln, sich selbst bemitleidend, untermalte die sarkastischen Worte. "Führt mich doch wenigstens erst einmal aus bevor wir direkt über Nachwuchs sprechen." Er würde sich nicht vor ihr für seine Wahl erklären müssen. Wozu? Die Wand ihres Luftschlosses war zu massiv. Er würde sich wagen, sinnlose Mühe in ein Unterfangen zu stecken, das ihn nur aus dem Impuls des Moments heraus interessierte. Und doch. 
"Oder haben wir uns doch einander angenähert, Liebes?" Er hatte das Haupt bei den letzten Worten auf ihre Höhe gesenkt. Der Größenunterschied war ihm gleich beim ersten Moment aufgefallen. Jetzt aber fand er Gefallen daran, wie zierlich diese kleine Flamme vor ihm stand und endlich zu glimmen begonnen hatte. Seine Lippen fingen eine lose Strähne von ihrer hellen Stirn und legten sie in einer fließenden Bewegung bei Seite. Dieses akribische Getue und die seidigen Schöpfe, die sie alle in dieser gekonnten Manier trugen. Bei jeder Bewegung waren sie darauf bedacht, nicht aus ihrer gemeißelten Schale zu fallen. So aber? Er richtete sich wieder auf, grinste zufrieden und betrachtete das Weiß auf dem schmalen Kopf. 
Tatsächlich ein nettes Spielchen. Und er musste ihr immerhin lassen, dass sie zumindest für diesen Abend sein Interesse gewonnen hatte. Nein. Das wäre zu viel. Für diesen Moment also nur. 

Ihre letzten Worte ließen ihn den Kopf seitlich legen. Aus schmal gewordenem Rot blickte er sie an. So neugierig. 
"Vielleicht erzähle ich euch bei unserem nächsten Treffen von den Traumata und Ängsten des Karthago Dracas. Für heute aber will ich euch nicht diesen ach-so-liebreizenden Abend mit meinen dunklen Geschichten und dem was mich des Nachts noch schlafen lässt vergraulen." 
Er neigte karg das Haupt, ein Vorhang aus schwarzer Nacht legte sich über die helle Stirn. 
"Also dann. Zurück zu besagten Verpflichtungen?" Wieder lag das Haupt in dieser anmaßenden schrägen Haltung. War sie so stumpf wie er zunächst erwartete, würde auch sie nicht mehr als die Arroganz, die man den Dracas nicht zu unrecht nachsagte, sehen. War sie aber mehr als ihre schale Oberfläche vermuten ließ, würde sie die unausgesprochene Einladung im Rot der schmalen Augen vernehmen. Eine Einladung auf ein weiteres Spielchen. Denn tatsächlich war Karthago neugierig darauf, ob Ceres Acillius tatsächlich nur der Abklatsch einer alten Generation war. Oder ob sie es schaffte, sich ihre eigenen Hufstapfen zu etablieren. Vielleicht hoffte er auch nur darauf, dass er es sein würde, der den Glimmer in ihren Augen erstickte. Das würde er zu einer anderen Laune bestimmen. 
Die Einladung jedoch ließ er unausgesprochen zwischen ihnen, ehe er sich von ihr löste und seinen eigenen Platz am Rande einnahm. 
Ob er es genoss, dass man ihm bereit willig Platz bot? Er ignorierte es. 

Ceres - anspielbar

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#97
Gerade erst in die Gesellschaft eintretenden Jungspunden legte man nahe, nicht mehr als drei Bissen in einer Nacht von den bewährten Beeren zu sich zu nehmen. Aaron—seines Erachtens erprobt und dabei vollkommen ignorierend, dass er das letzte Jahr nicht eine einzige Beere gesehen hatte—verschlang sie wie Gras. Ab einem gewissen Punkt stellte sich ein wohlwollendes Kribbeln in seinen Gliedern ein. Und wenn schon. Dann hatte er Penthesileas Gunst eben noch nicht errungen. Gaia würde sie nicht ewig voneinander fernhalten können. Das Schicksal würde sie zusammenbringen und bekanntermaßen konnte man derartige, von Gott gegebene, Bestimmungen nicht aufhalten. Die Alte würde schon noch sehen...

Mit Wucht wurden ihm die Vorderbeine weggezogen. Aaron schaffte es gerade noch, sich zu fangen, aber sein linker Vorderhuf zerdrückte dabei mit einem Schmatzen zahlreiche kostbare Beeren. Sein rechtes Bein jedoch wollte ihm nicht ganz gehorchen und knickte weg. Sein Knie rammte sich in den feuchten Haufen und pikiert starrte Aaron auf den lilanen Saft, der bis zu seiner Brust empor spritzte. Wer wagte es…?
Blinzelnd sah er nach oben. Dunkles Fell, ein lächerlich helles Abzeichen auf der Visage und ein angepisster Blick. Annaeus war wieder da. Wie schön. Nur, dass diese Angekotzheit nicht ganz zu dem Licinius passte. Das war eher die Sparte seines Ausbilders, aber der hatte die Farbe von Karotte, nicht von Kuhscheiße. Nein, das da war… 
Aaron sammelte den Rest Saft der Beeren, der in seinem Maul verharrte, und spuckte dem Knaben direkt ins Gesicht.
Spartacus Licinius. Er hatte dieses Kind selbstverständlich beobachtet, aber sehr früh entschieden, dass der damalige Anwärter auf den Thron nicht viel herbrachte. Und wie man sah sollte er Recht behalten. Der Thron war ihm entrissen worden, ebenso wie seine Mutter und all die Privilegien, derer er sich in seinem dummen, kleinen Köpfchen gewiss schon sicher gewesen war. 

Dass sich sowas überhaupt traute, zu ihm zu kommen. Einem Miles! Spartacus war ein Niemand, hätte genauso gut ein verstoßenes Bastardskind sein können. Vielleicht war er das sogar, schließlich hatte er keinen Elternteil mehr, der für ihn bürgen konnte. Nur den König, der aber leider Gottes schon ein Ersatzkind gezeugt hatte. Eine wahre Tragödie. 
Taumelnd richtete sich Aaron auf, wäre dabei beinahe über seine eigenen Hufe gestolpert und hätte sein Fell einmal mehr in Traubensaft getränkt, aber glücklicherweise blieb ihm diese Peinlichkeit erspart. Nicht, dass ihn dies gerade geschert hätte. Der Bub vor ihm, dieses armselige Geschöpf, verlangte all seine Aufmerksamkeit.
"Was willsn du?" Die Worte kamen ihm nicht so leicht über die Lippen, wie er gehofft hatte, aber es reichte, sich zu seiner vollen Größe aufzurichten, um einen Teil seines Stolzes zurückzuerlangen.
"Hört deinen unzivilisierten Schimpftiraden niemand mehr zu, oder hast du endlich verstanden, dass sowieso niemand Interesse daran hat, mit dir zu reden?" Aaron wollte sich wieder seinen Beeren zuwenden, aber in ihnen prangte ein unappetitlich aussehender Abdruck eines Pferdehufes. Ungeduldig stampfte er zweimal mit dem Hinterhuf auf.
"Page!", rief er. Sollte der sich um dieses obszöne Abbild kümmern und es beseitigen.

Spartacus

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#98
Karthago Dracas war ein Exzentriker. Es war eine seltsame Offenbarung, schließlich hatte sie die letzten Jahre damit verbracht zu glauben, dass es sich bei dieser Familie um eine Ansammlung aus stoischen Kriegshelden handelte. Natürlich waren sie für ihr Geschick in der Kampfkunst bekannt, aber die Tatsache, dass Karthago sich nicht nur durch seine Stärke, sondern vor allem durch seine Dramatik ausmachte, verwunderte sie. Vielleicht sollte sie nicht von dem Ruf einer Familie auf deren Individuen schließen. Schließlich gab es auch unter den Achilléas jemanden, der aus der Reihe getanzt war, so fromm sie auch wirken mochten.

"Führt mich doch wenigstens erst einmal aus bevor wir direkt über Nachwuchs sprechen."
"Vielleicht sollte ich das tun."
Auch, wenn eine derartige Einladung eigentlich von dem Mann ausgehen sollte. Karthago eignete sich selbstverständlich in keiner Weise als respektabler Ehegatte, aber dennoch wollte sie ein weiteres Gespräch mit ihm führen. Denn obwohl er sich daran zu erfreuen schien, sie vorzuführen, wirkten seine Worte wie ein geheimnisvoller Schatz, den man vor ihren Nüstern baumeln ließ. Hinzu kam, dass er durchaus die Option gehabt hatte, sie lächerlich zu machen. Mehrere Male. Aber das hatte er nicht getan. Was ihn interessant machte, waren jedoch nicht seine seltsamen Einstellungen oder idealistischen Überzeugungen. Solches hätte ihn nur zu einem Idioten gemacht. Nein, was sie aufhorchen ließ, war der versteckte Schmerz, der in seinen Worten schlummerte. Die Erwähnung von seinen verborgenen Ängsten und das freudlose Gelächter, welches der Erklärung über seinen Vater folgte. Ceres witterte ein Geheimnis und sie war noch nie allzu gut darin gewesen, sich aus den Angelegenheiten anderer heraus zu halten. Mit Wehmut erinnerte sie sich an ihre Kindheit, die Zeit, bevor ihre Großmutter angefangen hatte, ihr das gute Benehmen zu erklären. Natürlich hatte sie früh angefangen, sich vernünftig zu betragen, aber besonders jungen Kindern sah man vieles nach. Ein Umstand, den Ceres genutzt hatte. Ihr Lieblingsspiel war Spionieren gewesen. Wäre es vermutlich heute noch.

Ihre Gedanken wurden von Karthago unterbrochen, der seine Nüstern über ihre Stirn gleiten ließ und ihren Schopf zur Seite schob. Für einen Moment war sie entsetzt. Dann vernahm sie ein entzücktes Seufzen hinter sich und erachtete die Geste als etwas Positives. Auch wenn ihre Beine ein wenig zitterten, doch ein kollabierender Kreislauf war nichts, auf das sie nicht vorbereitet war. Vielsagend schob sie das Kinn vor und ließ nicht zu, dass sich ihr Blick von dem Karthagos trennte. Weder seine anmaßenden Gesten noch seine Worte würden dazu beitragen, dass sie vergaß, was sich hier abgespielt hatte. Eine Weile noch sahen sie einander an, bevor Ceres nickte, als hätten sie sich ohne Worte auf etwas geeinigt. Sie kehrte Karthago mit einer letzten, höflichen Verbeugung den Rücken zu.

Alle starrten. Nun, vielleicht nicht alle, aber sehr wohl die Gemeinschaft an jungen Damen, mit denen sie sich in der Regel umgab. Man sah sie. Nahm sie wahr. Ceres lächelte und als sie an Aarin vorbeischritt, samt hocherhobenem Kopf und Schweif, erfüllte sie nichts als Genugtuung. Doch dann vergaß sie die Blicke der anderen. Vesta, an der wahrhaftig gerade alle Blicke klebten, löste sich von dem König und beide lächelten. Sie lächelten! Beide!
Binnen Sekunden war sie von der einen auf die andere Seite der Tanzfläche gehuscht; hatte es dabei irgendwie vollbracht, auf Außenstehende so zu wirken, als würde sie sich nicht beeilen. Mit einem höflichen Knicks verabschiedete sie den König, der ihr ohnehin schon den Rücken zugewandt hatte, drückte sich an die Flanke ihrer Schwester und führte sie von dem Gedränge fort.
"Wie war es!?", fragte sie atemlos. Die Hälfte des Tanzes ihrer Schwester hatte sie gar nicht gesehen, weil sie die Anwesenheit Karthagos hatte genießen dürfen. Sie bereute es nicht direkt, aber sie präferierte es, sich ihr eigenes Urteil zu bilden. Nun war sie auf die Erinnerungen ihrer Schwester angewiesen.
"Erzähl mir alles!"

Karthago, dann Vesta

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#99
Anchor würde noch lange über Spartacus Kommentar nachdenken, denn zu seinem Leidwesen hatte er recht. Er war tatsächlich alt geworden. Und das innerhalb eines einzigen Jahres. Er hatte dabei zugesehen, wie der Krieg seinen Soldaten weitaus schlimmeres angetan hatte, daher sollte er sich wohl glücklich schätzen, aber als er das Gewicht verlagerte und ein verräterisches Ziehen in seiner Hinterhand bemerkte, konnte er nicht anders, als den Mund zu verziehen. Die Jugend hatte gewiss ihre Nachteile, aber momentan erinnerte er sich nur an die Dinge, die ihm entronnen waren. Prüfend winkelte er sein Bein an und entspannte sich, als der Schmerz verschwand.
"Natürlich", bestätigte er und glaubte Spartacus kein Wort. Immer wieder warf der Knabe einen Blick zu dem Miles und die Anspannung in seinem Körper, das Feuer in seinem Blick, verrieten ihn. Er wollte den anderen leiden lassen, was auch immer er getan hatte. Anchor erwiderte die verabschiedenden Worte nicht, als der junge Spross sich von seiner Seite löste und auf Aaron zuschritt. Anchor hätte ihm geraten Penthesileas Nähe zu suchen, anstatt sich mit jemandem aufzuhalten, der allem Anschein nach ohnehin verschmäht worden war, aber vielleicht verstand er die Jugend auch einfach nicht. Anchor wandte den Blick von dem auf Aaron zustapfenden Spartacus ab, bevor dieser etwas tat, bei dem er hätte eingreifen müssen. 

Stattdessen führten ihn seine Schritte am Rande der Gesellschaft entlang. Kleinere bis größere Gruppen hatten sich gebildet und sie alle tuschelten, tratschten und amüsierten sich. Ihr lautes Gelächter hallte in seinen Ohren wieder und je länger er an ihnen vorbeilief, desto langsamer verging die Zeit. Für einen Moment fühlte er sich, als würde er vollkommen abgeschottet von ihnen existieren. Dabei waren sie ihm schrecklich nah. Und dennoch unerreichbar. Obwohl er sich gerade noch unter ihnen befunden hatte, kam ihm nun die Vorstellung, auf die Tanzfläche zu treten, lächerlich vor. Geschweige denn, sich mit Vertretern der anderen Adelshäuser zu unterhalten. Er war nicht gut mit Worten, das war kein Geheimnis, aber er hatte auch nichts zu sagen, was es wert gewesen wäre, zu hören. An einer abgeschotteten Ecke blieb er stehen, begann mehr aus Gewohnheit als aus Pflicht, die Umgebung abzusichern, als ihm auffiel, dass er damit nicht alleine war. Direkt neben ihm stand Tuana. Ebenso still wie er, genauso aufmerksam beobachtend. 
"Tuana", begrüßte er seine Cousine mit dunkler Stimme. Dann folgte er ihrem Blick, direkt zu Ares und Rhíon und formte seine Augen zu Schlitzen.

Spartacus, dann Tuana

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"Ich bin froh, dass es sich für Euch genauso anfühlt." 
War das Gefühl, das sich in ihr ausbreitete, jenes, von welchem Ceres ihr in ihren euphorischen Momenten berichtete? Wie es sich im Idealfall anfühlte? Sie wollte nicht so weit gehen. Nicht zu weit gehen. Immerhin waren es nur warme Worte, gesprochen aus einem Herzen, welches zu viel Schmerz erlebt hatte und nun wohl lediglich einen friedvollen Moment in sanfte Gedanken legte. 
"Bei Gelegenheit, werde ich mir einen zweiten Tanz ergaunern." Er sprach es mit solch einer Leichtigkeit. Ehe sie es sich versah, hatte er seinen Mund so nah an ihre spitzen Ohren gelegt und die Worte wie in einem einlullenden Singsang gesprochen. Die Stimme so kühl und melodisch schenkte ihr dennoch eine ungewohnte Wärme. Das Haar an ihrem Nacken stellte sich unter angenehmem Kribbeln unbemerkt auf. Sie wusste nicht, ob sie wieder oder noch immer lächelte als sie ihm klar und offen ins Gesicht sah. "Ich tanze sehr gerne." Sie meinte es. Ob Gaia sich über diese Ereignisse freute? Es war egal. Denn sie meinte es. "Auch, wenn es dabei auf den Gauner ankommt," scherzte sie in lieblicher Erwiderung auf seine Wortwahl und entließ ihren König damit. Ihre Verneigung war elegant, tief und ehrfürchtig. Nicht länger ob seines Standes, sondern des Eindrucks, den er auf Vesta gemacht hatte. So schwer musste seine Krone wiegen und doch hatte er ihr diese Leichtigkeit geschenkt. Sie würde dieses Geschenk schätzen. 
Wie fiel es ihm nur so einfach, sie diesen Versprechungen - nein, nein - Verheißungen, auf einen Pfad zu locken, den sie doch bislang so bewusst unberührt gelassen hatte. Zwischen ihrer Welt und der des wahren Adels, war immer dieser eine, unbewanderte Weg gewesen, auf den sie lediglich aus ihrer Glaskuppel heraus geblickt hatte. 
Vesta, die Freidenkerin. 
Vesta, die ungestüme. 
Vesta Acillius, die Träumerin. 
Aber hier stand der König. Und mit seinem ruhigen Blick wer er zwischen den Welten hindurch getreten, ein laues Lächeln auf den dunklen, samtigen Lippen. Dort, wo er die Spuren hinterlassen hatte, ruhte nun ihr Blick. Sie hörte die anderen nicht. Niemanden von ihnen.
"Habt ihr gesehen? Oh, sie waren so elegant!"
"Wie anmaßend von ihr! Hoffentlich verrennt sie sich nicht ob der unendlichen Freundlichkeit und Gnade unseres Königs in ihrer Arroganz!"
"Sie passen so gut zusammen, nicht wahr? Oh, wie schön wäre es für unser Reich. Was für ein schöner Neuanfang."
Sie hörte sie nicht. Der Blick starr auf die imaginären Hufabdrücke gerichtet. 
"Ich bin froh, dass es sich für Euch genauso anfühlt." Ein unbedarftes Lächeln und ihr Blick richtete sich auf und machte eine der Blüten am blühenden Fliederbaum aus. Sie prägte sich das Bild des Momentes genauestens ein. Wenn sie sie fortan die Augen schloss, zeichnete sich das Bild eines warmen, dunklen Lächelns und der Duft von weißem Flieder. 

Gerade wollte sie sich wieder der Realität erinnern, da riss es sie schon zurück. War das Karthago Dracas? An der Seite ihrer Schwester? Ihrer zartbesaiteten, sanfteren, als sie es selbst wahrhaben wollte, und naiven kleinen Schwester? Ihr Herz klopfte nervös und gerade wollte sich Hektik in ihr breit machen, da trennten sich tiefes Schwarz und leuchtendes Rot. Sekunden dauerte es, bis die schöne Füchsin sich den Weg durch die Menge bahnte, mehr Augen auf ihr als sie es wohl merkte. Bei der unsanften Berührung lachte Vesta hell auf und wie in einem neuen, unangekündigten Tanz, bewegten sich dunkles Braun und schillerndes Rot im Einklang hinfort von der Tanzfläche. 
Wie es war, wollte sie wissen. Wie es war? Vestas Blick flüchtete sich verstohlen zu weißen Fliederblumen. "Geliebte kleine Schwester," ein Lächeln das schon Grübchen formte sprach für sich. Ich denke, nun ist es wahrlich Sommer. 
Ein warmer Wind unter flatternden Flügeln. 
"Du fragst nach mir, wenn du mit dem Erben der Dracas tanzt? Hat Großmutter diesen Abend mit einem Zauber belegt, den wir nicht kennen?" Tatsächlich hätte sie nicht erwartet, dass Ceres ausgerechnet mit jenem Herrn die Aufmerksamkeit auf sich zog. War da nicht irgendwo die Rede von Desmond gewesen? 
"Tatsächlich bin ich aber genau so neugierig wie du!" 
Am Rand der Schar angekommen, verneigte sie sich vor ihrer Familie und führte Ceres doch hastig ein Stückchen weiter. Abseits von ihnen blieb sie stehen. Wer würde es den jungen Fräuleins nun schon verübeln, nach einem solchen Spektakel zu tuscheln, zu kichern und sich ihres Glückes zu erfreuen? Immerhin war es, was man von ihnen erwartete. Dass die Damen Acillius natürlich kokett, erhaben und aristokratisch nichts nach Außen tragen würden, musste man nicht erwähnen. 
"Erst ich, dann du. Weißt du..." Sie zögerte. 
"Ich hatte es nicht erwartet. Er ist so sanft. Er war so freundlich und so galant. Und ich glaube meine Überraschung beruht auf Gegenseitigkeit."
"Ich bin froh, dass es sich für Euch genauso anfühlt." Sie blickte zu Boden, kaute kurz auf der Unterlippe und richtete sich alsbald wieder auf. Ceres würde sie diesmal vielleicht nicht für solche Kleinigkeiten rügen. 
"Ich glaube, ich werde ihn bald wieder sehen." 
Aber genug von ihr. Sie war niemand, der so offen über ihre eigene Gefühlswelt sprach. Zumindest war es nichts, dass so unverblümt aus ihr heraussprudelte.
"Nun du! War er so rau und grausam wie man es behauptet?" 

Nero - dann Ceres

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