15. Herbst 83, nachmittags | Lichtung im Wald | Schicksalsschlag, Nero Valerius, Penthesilea Achilléas, Anchor Aegidius, Spartacus Licinius, Ceres Acillius, Ezrael Achilléas, Sayyirah, Vesta Acillius, Desmond Aegidius, Aaron Miles, Nyke Astoria, Tuana Licinius, Karthago Dracas, Ares Licinius, Nova Odyssey, Rhíon, Artemis Miles, Álvaro, Kachina, Fawna Miles, Gaia Acillius, Lyrae, Hestia Dracas, , , Damhnait, Acalo Aegidius, Lucian Astoria, Cyan
Er wusste nichts von ihrer Sehnsucht und wenn er sie erblickt hätte, nur einen Hauch, dann hätte er sich davor gefürchtet. Vor dieser Sehnsucht, vor dem Wunsch die Zeit noch einmal zurückzudrehen. Nicht weil die Nähe Vestas ihn bangen ließ, sondern seine. Er hatte es verborgen, damals wie heute. Und er wollte nicht dorthin zurück, wenngleich ein krankhafter Teil seines Verstandes sich auch danach sehnte. Wie Vesta. Nur anders.
"Kehliger?", ein schiefes Grinsen zierte seine Lippen, fast charmant, einnehmend, keinen Zentimeter seiner Maske fallen lassend. War das so? Er konnte sich nicht daran erinnern. Sah und hörte sich selbst nie in seinen Erinnerungen. Außer er schrie. Innerlich. So laut, es hatte ihn zerrissen. "Hat dir das besser gefallen?", das flüssige Gold seiner Augen schmeichelten ihrer Gestalt, ihrem hübschen Gesicht. Sein dichter, goldener Schopf fiel ihm verwegen ins Gesicht.
"Nun, wenn du nicht über Abgründe sprechen möchtest..", ein wohlplatziertes Seufzen folgte seinen Worten. "... musst du mir wohl einen Witz erzählen, der mich zum lachen bringt.", prophezeite Damhnait ihr, Schalk in den endlos wirkenden goldenen Augen.
"Ich weiß nicht, ob Ceres mich mag. Ich befürchte sie würde mich davonjagen wie einen räudigen Köter.", und sie täte gut daran, denn letzten Endes war er genau das: ein räudiger Köter. "Du warst noch nie langweilig.", wieder ein seufzen. Auch wenn seine Worte eine halbe Lüge waren.
Vesta
Nero war sich bewusst, dass Spartacus eine schwierige Persönlichkeit war und doch hatte er sich von ihm etwas anderes erwartet. Er sah so wenig Annaeus und Celestial in ihm wie herabregnende Sterne in diesem Moment am Himmel.
Er wusste, dass sie enttäuscht gewesen wären, er wusste aber auch, dass es vermutlich nicht so weit gekommen wäre, wenn nicht er sondern Annaeus und Celestial sich um den Jungen gekümmert hätten. Seine Schwester hätte ihren Sohn vermutlich so lange in den heiligen Hain geschleppt und beten lassen, bis er kotzte. Annaeus hätte ihn so lange trainieren lassen, bis der Junge freiwillig begann den Dreck zu fressen in den sein Vater ihn drückte. Nero hingegen hatte keine Zeit für ein Kind, konnte ihn nicht jedes Mal mitnehmen und hatte so viel mit den Aufgaben eines Königs zu tun, dass er mittlerweile verstehen konnte, weshalb der seinen eigenen Vater teilweise Tagelang nicht gesehen hatte.
Der einzige Vorteil von ihm war, dass er Danae gehabt hatte und - Anchor würde bei dem Gedanken nur das Gesicht verziehen - Gavríil. Spartacus hatte zwar Asariel gehabt, doch das Kind war durch zu viele Hände gegangen, vielleicht konnte man es ihm daher nicht einmal übel nehmen. Und vermutlich gab es auch keinen anderen Weg aus dieser Misere heraus als zu warten. Und das betete sich Nero schon seit einiger Zeit vor.
Der schwarze König räusperte sich und setzte sich ebenfalls in Bewegung, Tuana an seiner Seite wissend. Anchor war schon vorgegangen, manchmal glaubte Nero, dass der Lohfarbene und der Dunkelfuchs eine eigene kleine Geschichte schrieben und bemüht waren einander auf die Nerven zu fallen. Vermutlich brauchten sie wenigstens diese Konstante in ihrem Leben, wenn schon alles andere um sie herum zusammenbrach.
"Es wäre nicht gut, wenn der Abend zu ruhig verlaufen würde, hm?", sprach er noch an Tuana gewandt aus, ein verzweifelt wirkendes Lächeln auf den Lippen, ehe sich der Vorhang schloss und eine kalte Maske auf dem Gesicht des Rappen Platz nahm. Wo waren eigentlich Aaidan und Lucian? Das verbliebene Auge des Rappen musterte die drei jungen Pferde. Aber anders gefragt, wo war er gewesen als Spartacus auf die Idee gekommen war sich die vergorenen Beeren in den Wanzt zu schlagen. "Aaron, Spartacus.", der strenge Blick des Königs glitt über die beiden Herren, ehe er an Nyke hängen blieb. Sie wirkte noch klar, was jedoch nichts bedeuten musste. "Nyke, Euer Vater sucht Euch bestimmt schon.", bot er dem Mädchen eine Möglichkeit zur Flucht.
Tuana, Anchor, Aaron, Spartacus & Nyke
07-26-2024, 04:18 PM
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 07-26-2024, 04:29 PM von Natsch.)
Hestias Worte trafen ins Schwarze, aber auf dem Gesicht der Dunklen blieb jede Regung ein Geheimnis ihrer selbst, dass sie niemals preisgeben würde. Ihre Worte entsprachen der Wahrheit, Lyrae würde viel tun, solange es zur Folge hat, dass etwas für sie dabei rausspringen würde. Dass sie sich einen Vorteil erkaufen konnte, einen Platz in der Gesellschaft, in der sie nie erwünscht war und Ansehen, welches ihr nie zugleich wurde, sie aber verdient hatte.
Über Jahre hatte sie ihre Zunge geschult, ihren Worten mehr Klang verliehen und sich eine Krone aus Dornen aufgesetzt, die ihr nicht gehörte und ihr auch nicht zuteil wurde, trotzdem sah sie sich in vollem Ausmaß als Adelig an, auch wenn sie wusste, dass das Blut in ihren Adern dunkelrot und nicht Gold war. Ihr Kopf kippte zur Seite, ihr Stimme war leise. « Vermutlich. Vielleicht beuge ich mich auch nur meinen Launen. » — « Und die besteht nicht darin, deinem Bruder unter die Augen zu treten. » Lyrae blickte beinah durch den Drachen hindurch.
Das waren die Momente, in denen sie erkannte, dass die Abgründe zwischen Dracas und ihr gar nicht so weit auseinander lagen. Karthago würde eines Tages vielleicht seine Schwingen finden, aber im Flug an Felsen zerschellen in dem Moment, wenn er vor Novas Füßen landen würde.
Etwas unergründliches regte sich in ihr, aber ihre Augen taxierten, fixierten und verloren sich auf flüssigem Gold — sie konnte ihren Augen nicht trauen, senkte den Kopf und die spitzen Ohren zuckten hin und her. Rhíon war völlig in den Hintergrund getreten, ihr ganzes Augenmerk lag auf dem goldenen Wolf, der sich getarnt unter eine Herde dummer Schafe getraut hatte. Und sie verstand nicht, wieso er das getan hatte. « Kennst du ihn? » Ihre Aufmerksamkeit und ihr Interesse war offensichtlich als Lyraes Aufmerksamkeit auf ihm lag — dass er es gewesen war, den sie gesucht hatte, seit sie auf dieser Lichtung angekommen war.
Hestia
Anchors Antwort, sein dunkles Grollen und die direkte in Bewegung setzten, ließ Tuana aufmerken. Sie hätte nicht gedacht, dass er sofort reagierte. Als Nero sich räusperte, blickte sie ihn kurz an. Er wirkte gesetzter, erholter. Auch ihm tat das neue Land wohl gut, zurückkehren zu alten wurzeln. Ein wenig war es doch schade darum, nur weil sie sich in der Zeit doch sehr gut verstanden hatten. Ob das immer noch war? Mit der Rückkehr der Adelsmanier würde Tuana wieder in sich kehren. Sie sah nicht den Sinn davon, ihm ihre Sorgen über diverser Themen aufzusagen. Überhaupt saß der Schmerz immer noch tief, dass er einen Bastard hatte. Sie hatte viel von ihrem Freund gehalten, nur das nicht. Aber es war Nero. Tuana blickte auf seine Mähne, ein sanftes Lächeln auf den Lippen, als sie an die gemeinsamen Gespräche und dergleichen dachte. Sie würde immer für ihn da sein, ganz gleich was er machte. Was sie selber etwas an sich störte. Nero schien ihr Fehler zu sein, schien ihr wahrer Ruin zu sein.
Sie sah, wie seine Muskeln sich zusammen zogen und der König sich in Bewegung setzte. Nur Sekunden blieben ihr, mitzukommen oder hier zu bleiben und alleine den beiden zuzuschauen. Ihr zuzuschauen. Kurz waren bei diesem Gedanken ihre Ohren nach hinten gehuscht, ehe sie sich zur Räson brachte und mit erhobenen Hauptes, den Blick auf Spartacus und Aaron gerichtet, an Neros Seite den Weg bis dahin absolvierte. Tuana waren die Blicke der anderen gleich. Nur nicht dieser einen. Sie her du Dirne, so zeigt man sich! erschrocken über diesen Gedanken flatterte die Taube auf und ab, doch sie zeigte es nicht. Tief in ihrem Eis versteckt.
“Wahrlich, nein. Worüber sollte man die Tage danach denn noch sprechen?“ lachte Tuana leichthin auf. Es war zu einfach. Viel zu leicht wieder sie selbst zu sein, nur ohne den Käfig, denn ihr Ehemann brauchte diesen nicht. Würde es so bald laufen?
Sie mit zwei Gesichtern?
Oder war es der einzige weg, den man ihr auferlege zu gehen? Der Weg des Adels?
Es machte sie verrückte, sodass sie diesen Gedanken weit von sich sperrte. Im hier leben, so wie es ihre Mutter ihr beigebracht hatte. Edel, Stolz, Adlig. Punkt.
Sie waren bei den dreien angekommen, Anchor schon hinter Spartacus stehen. Wie er den jungen Hengst angesprochen hatte, hatte Tuana nicht mitbekommen, doch die Stimme von Nero durchdrang auch sie. Kurz huschte ihr Blick aus blauen Augen zu ihm, sein Blick wirkte streng, unnachgiebig. Auch nur mit einem Auge. Es war ihre Schuld gewesen, das alles. Das würde sie sich nie verzeihen, das wusste die Stute. Vielleicht war dies der Grund, warum sie bei Nero über vieles hinweg sehen konnte. Schuldgefühle.
Dann sprach der König die junge Astoria an, während Tuana still an seiner Seite verweilte. Sie würde sich hier nicht einmischen, aber als Mahnmal einer Dame daneben stehen. Auch ihr Blick war streng, durch das Blau wirkte er ebenso kühl. Hochmütig vielleicht, obgleich sie es nicht war. Denn ein wenig Respekt zollte sie der Jungen Dame, die es mit den Beiden volltrunkenen gut geschlagen hatte. Also geschlagen im Sinne von abgetan, gut Konter geben konnte. Dennoch gehörte es sich nicht, in Abwesenheit einer Anstandsdame mit zwei Halbstarken und Betrunkenen alleine zu sein. Daher konnte Tuanas blick ruhig tadelnd sein, das würde passen – obgleich sie daran nicht denken würde.
Anchor, Nero, Spartacus, Nyke, Aaron
“Ich vermute, du bist hart genug, dich hier allein durchzubeißen.“
Das Lächeln, welches sich angesichts Artemis Aussage auf die Züge der Rappstute schlich, war nur schwer zu deuten. Der Gedanke, der sich hinter der dunklen Stirn formulierte, war hingegen von scharfer Klarheit.
Wenn du wüsstest. Ihr Leben... ihr Überleben war mehr dem Glück geschuldet als ihrem Verstand. Oder ihrer Konstitution. Sie war, anders als die Braune, keine Kriegerin. Ihr Körper war zierlicher, mochte womöglich beinahe zerbrechlich wirken, wenn nicht der Ausdruck in den silbernen Augen diesen Eindruck Lügen gestraft hätte. Das Einzige, was an Nova stark war, war ihr Können, sich aufgrund ihres Verhaltens von der einen Misere in die Nächste zu manövrieren. Irgendwann, da war sich die Schwarze sicher, würden ihr der Mangel an Reserviertheit und Umsichtigkeit das Genick brechen. Doch bis zu jenem Tag würde sie einen Teufel tun und sich in Zurückhaltung üben.
"Irgendetwas lässt mich vermuten, dass das kein Kompliment war...", schmunzelte die Rappin.
Ihr seidiger Schweif sirrte durch die Luft, die Hinterhand der Valkyre streifend, die sich mittlerweile so neben ihr positioniert hatte, dass der große Körper Karthagos sie vor der breiten Masse verbarg. Nova konnte nur erahnen, vor welchen Blick sie sich verbergen wollte. Ihre Aufmerksamkeit glitt zu Karthago und mit einem Hauch von Amüsement stellte sie fest, dass seine Haltung jene Artemis' in diesem Moment zu spiegeln schien. Beide wirkten in sich zusammen gesunken, obgleich ihre Köpfe erhoben waren und ihre Körper, sonst wohl kraftvoll und stolz strahlend, schienen.. stumpf. Als wollten sie nichts lieber als diesen Ort zu verlassen. Dieses Fest. Zugegeben, ein wenig verwunderte es Nova doch, dass der Dracas offenbar den gleichen Problematiken unterworfen war wie die junge Miles.
Ah, Adel verpflichtet...
"Euer Anblick lässt einen eher vermuten, dass es sich bei dieser Veranstaltung um eine Beerdigung handelt statt um eine Verlobungsfeier." stellte Nova unumwunden klar, ihr Haupt leicht hin- und her wiegend. "Ihr seid Bilder des Elends."
Silberne Augen trafen auf flammendes Rot. Dann auf dunklen Bernstein.
"Dabei wäre es so leicht, diesem Abend wenigstens für den Moment einen Dreh in eine angenehmere Richtung zu geben." Er war unverheiratet. Sie war unverheiratet. Ein gemeinsamer Tanz würde wohl wenigstens kurzzeitig die Gemüter beider Familien beruhigen. Doch dafür hätten sie beide sich aus den Schatten lösen und für den Augenblick sämtliche Aufmerksamkeit auf sich ziehen müssen.
Ich warte hier auf euch... Ihre Lippen kräuselten sich.
Artemis, Karthago
Er unterstrich Temis aussage, dann aber fügte er hinzu, ‚du auch‘. Artemis grinste spöttisch und verzog ihr Grinsen. Als wäre sie stark genug? Wenn dem so wäre, wäre sie heute nicht hier. “Ich wäre nicht hier, wenn ich mich durchbeißen hätte können!“ Zur Bestätigung, trat sie einen Schritt zurück um tiefer in die Schatten zu gleiten. Sie glaubte nicht, dass er das alles hier nur machte, um Spaß zu haben. Anderer seit, was hatte er davon? Auch er hätte – wenn er das alles nicht wollte – fernbleiben können. Dennoch trat er hinaus auf die Tanzfläche und bewegte seinen attraktiven Körper gekonnt, während alle Damen beinahe Ohnmächtig wurden, des noch nicht gebundenen Drachens. Wenn sie es nicht besser wüsste, hätte sie gesagt, er genoss die Blicke der Damen zu sehr auf seinem Körper.
Novas Berührung, beabsichtige oder nicht, jagte ihr ein leises Kribbeln durch den Körper.
Dann brachte sie hinaus, was sie dachte und Artemis zog die Lippen nach hinten. Ihr Lächeln wirkte bitter, dunkel. “Oh, eine Beerdigung wäre in meinen Augen erfreulicher als das hier!“ Sie musste Karthago nichts vormachen. Er hatte sie am tiefsten Punkt gesehen und am Leben gelassen. Auch wenn es ihr dennoch nicht behagte, jemandem wie ihm ihr Ich gezeigt zu haben – das wahre kannte er immer noch nicht – schien er dennoch in etwa eine gleiche Richtung anzustreben. “Was meinst du, warum zumindest ich hier bei dir in den Schatten bin?“ Dachte Nova, sie wüsste etwas von Artemis? Dass sie sich tatsächlich dem Spiel dort unterordnete?
Nein, niemals!
Ihren letzten Satz, Artemis brauchte einen kurzen Moment, ehe sie in Lachen ausbrach. “Es tut mir leid, Karthago, aber ich werde nicht mit dir Tanzen. Da bekommt mich keiner lebend drauf, niemals!“ Doch, sie... murrte es in ihr doch dann wäre nicht nur ihr leben verwirkt, sondern auch das von Nova und vermutlich Karthagos gleich mit, weil er sich für Nova einsetzen würde.
“Man hat mich hier gesehen, ein hohes Mitglied des Adels hat mit mir gesprochen, dass muss reichen, ich werde mich jetzt hier zurückziehen und der ganzen Bagage den Rückenkehren.“ Sie deutete an dem schwarzen Hengst vorbei auf die Stelle, wo der König nun die jungen zusammenstauchte. “Da hast du deinen Dreh!“ Artemis schüttelte den Kopf.
Sie und Tanzen.
Pah.
Karthago & Nova
07-29-2024, 10:22 PM
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 07-29-2024, 10:26 PM von Chou.)
"Ihr seid Bilder des Elends."
Er? Ein Abbild des Elends?
Sollte es der Einfluss seiner eben plötzlich abgeebbten Laune sein oder die Überdrüssigkeit, die sein Urteilsvermögen in einen Magmakrater verwandelte. Denn Nova Worte waren diesen Schlund hinabgerollt, hatten auf dem Weg in ihr Verbrennen hier und da neue Rinnsale gebildet und frischen Feuerflüssen Raum gegeben. Die Nabelschnur seines Weltbildes glomm lichterloh.
Auf ein Neues. Denn schon lange nicht mehr, er konnte sich nicht erinnern wann, hatte man ihm solche Worte unverblümt ins Antlitz gespuckt. Hinter seinem dunklen Rücken? Oh sicher doch. Er war sich all der gehässigen Worte bewusst. Ihm auf diese Art aber entgegenzublicken. Und sie hatte nicht einmal die Miene verzogen.
Im Gegenteil.
"Ich warte hier auf euch..."
Und dieses starre Grienen.
Sie war wahnsinnig. Er musste wahnsinnig geworden sein. Er würde wahnsinnig werden.
Mehrfaches Blinzeln durchbrach seinen Blick als ringe er um den letzten Fetzen seines Verstandes. Und gerade als er das Haupt neigte, schräg wie ein Habicht sein blutendes Gut beäugte, rollte Artemis' Stimme über den Moment.
Und dann schlug sie eine Art Pirouette, benebelt von ihren eigenen Schatten. Trunken. Sie waren beide absolut Schattentrunken. Anders konnte er sich dieses missbilligende Verhalten nicht länger erklären. Sicher doch hatte er, wenn überhaupt, mehr Ruhe in den Rängen der verlorenen gefunden. Nicht aber hatte er damit gerechnet, dass er indessen von ihnen umgangen und verspottet wurde. Verspottet. Diese Weiber hatten ihren Verstand verloren.
"Nova Odyssey." Seine Stimme nur noch ein raunendes Ächzen. Ein Versuch sich selbst aus dem reißenden Strom zu ziehen. "Ihr wollt mich loswerden, ist es das?"
Er hätte es als ihre Unwissenheit über seinen Stand in dieser Welt verstehen können. Ein hungernder Thor aber fraß, was die Geier ihm hinterließen. Und dieser eisige, lodernde Blick war das einzige Schwert, das seit jenen Tagen offen auf ihn gerichtet wurde. Sie musste eine Moire sein. Wohl gesandt, um ihn zu testen.
Reichte man ihm die Hand, stieß er sie mit kratzender Kralle fort. Und entzog man sich seiner offenkundig, reckte sich jene Kralle wartend aus, auf dass man der Forderung nach käme.
"Wenn ihr mich tanzen sehen wollt, so kommt denn."
Wäre er ein besserer Hengst, hätte er Mitleid für Artemis und ihre Situation verspürt. Denn Nova hatte Recht. Sowohl sie wie auch er saßen imselben Boot und wäre er ein klügerer Kopf, so hätte er die Miles wahrlich zur Ehe gebeten. Er zweifelte nicht daran, dass er einen gewissen Seelenfrieden bei ihr finden könnte.
Doch er suchte keinen Seelenfrieden.
"Also?", lauerte er auf die Antwort der Schwarzen.
Ja, und sie wäre das niedere Mädchen aus den Schatten, welches für einen Abend im Licht baden musste.
Nein, und alle Augen wären fortan auch des Nachts auf ihren schlanken Schultern.
Für ihn aber würde ihre Antwort eine andere Bedeutung tragen. Für dieses Spiel, dass zwischen ihnen angestoßen wurde.
Ja, und sie nahm seine Herausforderung an.
Nein, und sie stellte ihre eigene, neue Herausforderung auf.
Es war gleich. Ein Würfel war bereits in jener Nacht gefallen.
Artemis und Nova
Sie musste gestehen, allmählich weckte diese Herde immer größeres Interesse in ihr. Vielleicht lag es daran, dass Nova sich im Verlaufe ihres bisherigen Lebens nicht viel mit den Befindlichkeiten und Eigenarten Anderer beschäftigt hatte - ihre eigenen Probleme hatten einen so großen Raum eingenommen, dass sie ihr schlicht den Blick versperrt hatten für das, was mit denen um sie herum geschah. Was sie bewegte. Mitunter mochte dies ein Grund dafür gewesen sein, dass ihre Beziehung zu Mo bereits von Beginn an zum Scheitern verurteilt gewesen war. Nova war nicht nur nicht bereit gewesen, Anstrengungen in die Verbindung zu investieren, sie war schlicht nicht fähig dazu.
Umso interessierter beobachtete sie nun, da ihre Vergangenheit in Asche und Blut weit hinter hier lag, wie die Valerianer ihr Leben bestritten. Insbesondere Damhnait hatte ihr Interesse geweckt. Ebenso wie Artemis. Und Karthago.
"Kommt wohl auf den zu Betrauernden an.." erwiderte die Schwarze sachlich, während ihre Schulter sich sacht hob, doch hielt sie in ihrer Bewegung inne, denn der folgende Wechsel in Artemis' Stimmung schwappte zu ihr herüber wie ein kleiner Wirbelsturm. Hätte sie Hände gehabt, Nova hätte sie beschwichtigend in die Höhe gehalten, so aber legte sie nur ihr zierliches Haupt ein wenig schräg. Ihre Mundwinkel zuckten. Warum gefiel es ihr so, die Braune aus der Reserve zu locken?
"Schade.", lautete ihre schlichte Erwiderung. "Es wäre sicherlich ein schöner Anblick gewesen." War es echtes Bedauern, das aus ihren Worten sprach? Als Artemis verkündete, dass sie der Festivität den Rücken kehren wollte, war die Schwarze für einen kurzen Moment versucht, ihr zu folgen, verwarf den Gedanken jedoch. Wenngleich die Braune ihr Interesse geweckt hatte, so zog Nova es doch vor, dieser Neugierde nur Stück für Stück nachzugeben. Vielleicht stimmte, was Mo ihr an den Kopf geworfen hatte. Vielleicht quälte Nova sich gern' selbst. "Danke, dass du deine Zeit mit mir teiltest, Artemis. Ich habe deine Gegenwart sehr genossen..."
Nova Odyssey.
Warum zum Teufel hatte sie ihm ihren vollständigen Namen verraten? Hatte sie das Odyssey nicht ablegen wollen? Es jetzt aus seinem Mund zu hören ließ einen schalen Geschmack auf ihrer Zunge zurück. Der Ausdruck, der ihr Gesicht zierte, als sie es dem Rappen zuwandte, verriet jedoch nichts. Nichts davon. Nichts anderes. Wie ausdrucksvoll konnte Leere sein?
"Wollte ich Euch loswerden, Karthago, würdet ihr das wissen." Wieder zuckten ihre geschwungenen Lippen. "Und müsstet keine Vermutungen anstellen. Falsche, wohlgemerkt."
In der Tat hielt Nova nicht damit hinter dem Berg, wenn sie der Gegenwart eines Artgenossen überdrüssig war. Dass diese Offenheit nicht immer von Erfolg gekrönt gewesen war, war gleichermaßen ärgerlich wie bedauerlich. Es war, als fachte offene Abweisung den Jagdtrieb des männlichen Geschlechts um ein Vielfaches mehr an als freundliche Zurückhaltung.
Jäger. Gejagte. Oh, wie sehr sie es hasste, als Beute gesehen zu werden.
Was den Dracas anging, so hatte sie noch nicht ausmachen können, als was er sie sah. War sie die Beute? Oder war sie diejenige, deren scharfe Krallen sich unter seine Haut gruben?
"Wenn ihr mich tanzen sehen wollt, so kommt denn."
Es würde sich zeigen.
Nova schwieg.
"Also?", bohrte er nach, offenbar unfähig, in der Schwerelosigkeit zu bestehen, welche ihre ausbleibende Antwort produzierte.
Sie schwieg weiter. Dann neigte sich ihr Haupt und Silber ergoss sich in Rot.
Und die Schlichtheit, mit welcher die Antwort von ihren Lippen tropfte, grenzte an Haräsie. "Ich sah Euch bereits mit der flammenden Schönheit tanzen. Ein atemberaubendes Bild. Doch im Gegensatz zu ihr bin ich nicht für das Licht der allgemeinen Aufmerksamkeit geschaffen. Also Nein, Karthago Dracas. Ich werde nicht mit Euch tanzen."
Nicht auf diesem Ball. Nicht heute. Nicht morgen. Niemals.
Die Lüge in diesem Gedanken ignorierte sie getrost. Denn der Tanz zwischen ihnen hatte bereits vor einiger Zeit begonnen. In jener Nacht.
Artemis & Karthago
Desmond zweifelte nicht und Ceres nahm sein Selbstbewusstsein voller Wohlwollen zur Kenntnis. Sie war anders gestrickt, doch das sollte der Sache keinen Abbruch tun. Bevor nicht alle Variablen stimmten, würde sie sich nicht in Sicherheit wiegen. Dennoch spürte sie, dass sich ihr Körper etwas höher aufrichtete und das Herz in ihrer Brust hoffnungsvoll flatterte. Mit etwas Glück würde sie in wenigen Wochen den Namen Aegidius tragen. Doch es wäre mehr als bloß ein Name. Es wäre ein Abzeichen. Eine Trophäe, welche sie ebenso zur Schau stellen würde, wie die Soldaten ihre Narben. Es war der erste Schritt auf ihrem Weg, nützlich zu sein und sich für all die Dinge erkenntlich zu zeigen, die man ihr seit ihrer Geburt geschenkt hatte.
"Lass uns ihnen diesen Tag geben." Ihr Blick folgte Desmond's zu ihrer Familie und ohne dass sie es merkte, legte sich ein sanftes Lächeln auf ihr Gesicht. "Mein Bruder mag ein Narr sein, aber auch er hat es verdient, für seine Erfolge gefeiert zu werden. Nach all den Strapazen sollen sie den Tag, an dem es nur um sie geht, auskosten dürfen."
Man würde bereits genug Wirbel darum machen, dass sie mit zwei Adelsherren getanzt hatte, während ihre Schwester die Aufmerksamkeit des Königs erfolgreich bei sich behalten konnte. Überlegend musterte Ceres ihre Großmutter. Sollte sie sie vorwarnen? Andererseits konnte Gaia sich vermutlich schon denken, was ein längeres Gespräch mit Desmond Aegidius zu bedeuten hatte.
"Mir wurde schon öfters vorgetragen, dass meine Großmutter einschüchternde Qualitäten zu besitzen scheint." Tuanas Namen nannte sie hierbei nicht. Ihres Empfindens nach waren diese Gefühle im Privaten an sie herangetragen worden. Sie musste keine Sensation aus ihrer neugewonnenen Freundin machen. Ihre Schritte führten sie langsam zurück zu den Acillius, aber sie wollte die Aufregung, die sie heute Nacht gewiss heimsuchen würde, zumindest ein wenig mindern. Prüfend musterte sie den entspannten Ausdruck auf Desmond's Antlitz.
"Ich nehme an, du wirst weniger Probleme damit haben dich ihr zu stellen?"
Desmond
Aaron legte verständnislos den Kopf zur Seite. Um ihn? Aber wie konnte es um ihn gehen, wenn sie die ganze Zeit über Spartacus Verhalten gesprochen hatten? Er blinzelte, doch der wiederholte Augenaufschlag ändert nichts an Nykes bestimmtem, aber irgendwie auch müdem, Gesichtsausdruck. Die meisten Familien standen ganz klar unter den Miles, aber obwohl Nyke nicht zu den edelsten Linien des Adels gehörte, war sie dennoch eine edle Dame. Noch dazu gab Aaron relativ viel auf ihre Meinung—Gott allein wusste warum—und sie jetzt so enttäuscht zu sehen... Geknickt klappte er die Ohren zur Seite, als plötzliche Trauer von ihm Besitz ergriff. Hatte sie ihn noch lieb? Zwar konnte er nicht ganz sagen, was er falsch gemacht hatte, aber wenn Nyke so böse wurde, konnte es nicht nur an Spartacus liegen. Ob sie ihm verzeihen würde? Oder waren sie jetzt keine Freunde mehr?
Fahrig sah er sich um, suchte nach irgendetwas, was er wiedergutmachen konnte und sein Blick blieb an seinem besudelten Fellkleid hängen. Eigentlich fand er die purpurnen Tupfer ganz nett. Aber vielleicht war es doch etwas zu viel des Guten? Spartacus hatte Glück, dass sein Fell dunkel war; anders hätte er noch unzüchtiger ausgesehen, als er! Es war nun wirklich nicht fair, ihn damit zu vergleichen.
"Dann lass uns gehen. Bevor dieses... Kind..."
Weiter kam er nicht. Die bellende Stimme des Ausbilders drang an seine Ohren und vermochte beinahe sein Trommelfell zu zerschellen. Ja, so kannte er ihn. Eigentlich fand er den karottenfarbenen Kerl unausstehlich, aber jetzt, wo er so zornig auf Spartacus herabblickte und ihn—Gott sei Dank—nicht einmal mit einem Nasenhaar ansah, freute er sich diebisch. Anchor hatte schließlich recht mit seinem Zorn. Die kleine Kakerlake hatte nicht weniger verdient. Kam erst so großkotzig daher und versuchte dann noch seinem Ruf zu schaden! Aaron kicherte. Zumindest so lange, bis hinter ihm die dunkle Stimme des Königs ertönte.
Quiekend fuhr er herum und stellte sich stramm auf, sobald sein Augenpaar auf gebieterisches Gold traf. Er strauchelte ein wenig, aber für seinen Geschmack gab er dennoch ein stattliches Bild ab. Dass er mehr Gewicht auf die linke Seite legte, sein Kopf eher mittig hing, als oben und sein Schweif seltsam zur Seite abknickte, bemerkte er dabei nicht. Aarons Augen waren groß und wässrig, als er zu dem König und seiner Begleitung emporblickte. Er sprach es nicht aus (glücklicherweise), aber die Stute an seiner Seite war sehr hübsch. Sie sah nur leider nicht sehr begeistert aus.
"Hi", brachte er nach langem Überlegen zustande. Ihm entging nicht, dass der Dunkle nur Nyke die Möglichkeit zum Gehen gab und Aaron bat sie mit einem flehenden Seitenblick bei ihm zu bleiben.
Die Beerenbande
|