06-10-2024, 01:01 PM
Er war warm. Ihr König war so warm, dass sie sich unweigerlich fragen musste, ob nicht er selbst die laue Sommernachtsbrise war, die sanft und behutsam die letzten Wochen über Volk und Reich wehte. Wenn sie ehrlich mit sich war, hatte sie bis lang nie einen großen Gedanken an ihn verschwendet. Er war der Erbe der Valerius, Gebieter über ihr Reich und führte seine Regentschaft mit strenger, kühner und schützender Hand. Einmal hatte sie einen Blick auf ihn erhascht, vor einigen Jahren noch als jüngeres, naiveres Kind. Die Dame an seiner Seite hatte eine ebenso strahlende Wärme versprochen, wie er selbst es nun tat. Ob er schon immer so gewesen war oder es jenen Personen zu verdanken war, die ihn geprägt und geformt hatten? Damals war er ihr lediglich stolz und erhaben erschienen und mit einem Lächeln hatte sie sich dann tänzelnd abgewandt, ihr Reich in den zuverlässigen Händen der Valerius wissend. Selbst, als der Krieg über sie hereingebrochen und zahlreiche Opfer gefordert hatte, war es immer die Aura der Königsfamilie gewesen, in jener sie sich sicher gewähnt hatte. Sich selbst aber irgendwann in der Familie der Valerius sehend? Bucephalus Wege waren tatsächlich unergründlich.
So hatte Vesta es aber erst zu diesem Anlass wirklich geschafft, den König in ihren Blick zu fassen. Selbst, als Gaia ihr von der freudigen Botschaft berichtete, aller Traurigkeit der Kausalitätskette blind, war es der braunen Tochter von Tiberius an jenem Tag nicht einfach gefallen, das geübte kühle Lächeln auf die Lippen zu zwängen. Sie hatte mit Nero getrauert. Nicht, weil sie Echo nahe gestanden oder viel für das Königspaar empfunden hatte. Es war ihr kühnes Herz, das empathisch den Schmerz des Verlustes zu verstehen glaubte. So sonderbar war es für sie, dass er ausgerechnet ihr nun diese Wärme schenkte, obgleich sie nicht glaubte, dass sein eigenes Herz wieder geheilt war. Ebenso wenig glaubte sie, dass sie dazu fähig sein würde, es zu tun. Vielleicht aber konnte sie ihm Linderung verschaffen. Sie hoffte es.
"Sie geben wahrlich ein bezauberndes Paar ab." Ein fahles Lächeln. Würde man das auch von ihr behaupten können?
"Oh, nicht doch," schüttelte sie betroffen das Haupt. "Für einen närrischen König möchte ich natürlich nicht der Auslöser sein," witzelte sie und etwas Leichtigkeit umspielte ihre Augen. "Dann möchte ich mich freuen, Hoheit, dass ich euch in dieser Hinsicht nicht bedauern muss."
Darauf hatte Gaia sie nicht vorbereitet. Und auch ihre Mutter hatte in all ihren Lehrstunden niemals daraus verwiesen, dass sie dem hier entgegen würde: einem aufrichtigen und interessierten König. Einem freundlichen und sanften Nero Valerius, der an ihren Gedanken interessiert war. Im Gegenteil hatte ihr Vater ihr einst mitgeteilt, dass es besser sei die flatterhaften Gedanken der Vesta Acillius hinter erprobten und festen Fassaden aus Glanz und Kühnheit zu verbannen. So fand die braune Amsel sich nun also am Scheideweg zwischen Wahrheit und Pflicht und war überrascht, wie einfach es fiel, den Blick in die Richtung eines lockenden, warmen Windes zu halten.
"Ich muss gestehen, dass mich euer Interesse erleichtert." Zwei dunkle wandten sich an sein Gesicht. Er war stattlich. Selbst, was Silas ihm angetan hatte, tat ihm keinen Abbruch. Hier und da hatte sie seltsame Worte über sein fehlendes Auge und gehört und dass es ihn in manchem Licht hart und grimm erscheinen ließ. Vesta musste widersprechen. Es machte ihn nahbar. "So können wir uns also in dieser Hinsicht ebenbürtig begegnen."
War es forsch? Sie wollte forsch sein. Sie wollte, was auch immer das hier war, jenseits aller amtlichen Abmachungen ergründen. Sollte sie früher oder später in kalte Gewässer fallen, so würde sie sich an den warmen Wind in ihren Segeln auf dieser Reise erinnern.
Vesta nickte zustimmend bei seinen letzten Worten. "Nun. Ich kann nicht für alle sprechen, doch es wirkt etwas leichter. Ich sehe unser Volk des öfteren wieder lachen. Sie alle blicken nach vorne in dieser neuen Welt. Wir werden noch weitere Feste feiern." Sie verneigte sich in ehrlicher Dankbarkeit. "Ich hatte mir schon länger gewünscht, euch dafür danken zu können. Verzeiht, dass es so spät erst kommt. Doch..." Sie deutete auf das tanzende, lachende Volk und die Frische einer Losgelassenheit, die neu und zart und zerbrechlich war. "Sie alle empfinden so." Sie wollte näher an ihn heran treten. Wollte erforschen, was dort hinter der Stärke verborgen lag, die nichts anderes nach außen dringen ließ. Sie wollte mehr sehen. Denn ihr König lachte. Noch nie hatte sie diesen Laut vernommen. Nie war ihr etwas so klar und zerbrechlich vorgekommen wie das Lachen des schwarzen Königs. Etwas in ihr war erwacht, wollte sich um diesen Moment legen und es behutsam in einen Kokon hüllen, dieses besondere, leichte Lachen.
"Sie werden es sicher verkraften, dass sie meine Aufmerksamkeit mit Euch teilen müssen.", sprach er und sie richtete unweigerlich ihren Blick auf jene Herren, denen sie noch eine Entschuldigung schuldig war. Gerade wollte sie die Lippen zu neuen Worten ansetzen, da löste er ihre Aufmerksamkeit von Anchor und Spartacus. Ihre Augen weiteten sich für einen Wimpernaufschlag in Überraschung, Nero fixierend. Er war wahrlich voller Überraschungen. War es Vesta selbst aufgefallen? Sie hatte den Blick nicht von ihm abgewandt. Sich ihres eigenen Mutes unbewusst erreichte ihr Lächeln die schwarzen Perlen. "Ich möchte gerne mit euch tanzen, Hoheit."
Nicht für Gaia Acillius und ihr Vermächtnis. Nicht für das Volk und die Zukunft des Landes. Sie kümmerte sich in diesem Augenblick nicht um politische Bündnisse und hochtragende Erwartungen. In diesem Augenblick wollte Vesta Acillius mit ihrem schwarzen König diese Leichtigkeit bewahren. In dieser gläsernen Kuppel erreichte sie kein verurteilender Blick, keine dunklen, eifersüchtigen und boshaften Worte und keine Kette legte sich um ihre Knöchel.
Und niemand würde es wagen, ihren sanften Wind auf stürmische Böen zu jagen.
So hatte Vesta es aber erst zu diesem Anlass wirklich geschafft, den König in ihren Blick zu fassen. Selbst, als Gaia ihr von der freudigen Botschaft berichtete, aller Traurigkeit der Kausalitätskette blind, war es der braunen Tochter von Tiberius an jenem Tag nicht einfach gefallen, das geübte kühle Lächeln auf die Lippen zu zwängen. Sie hatte mit Nero getrauert. Nicht, weil sie Echo nahe gestanden oder viel für das Königspaar empfunden hatte. Es war ihr kühnes Herz, das empathisch den Schmerz des Verlustes zu verstehen glaubte. So sonderbar war es für sie, dass er ausgerechnet ihr nun diese Wärme schenkte, obgleich sie nicht glaubte, dass sein eigenes Herz wieder geheilt war. Ebenso wenig glaubte sie, dass sie dazu fähig sein würde, es zu tun. Vielleicht aber konnte sie ihm Linderung verschaffen. Sie hoffte es.
"Sie geben wahrlich ein bezauberndes Paar ab." Ein fahles Lächeln. Würde man das auch von ihr behaupten können?
"Oh, nicht doch," schüttelte sie betroffen das Haupt. "Für einen närrischen König möchte ich natürlich nicht der Auslöser sein," witzelte sie und etwas Leichtigkeit umspielte ihre Augen. "Dann möchte ich mich freuen, Hoheit, dass ich euch in dieser Hinsicht nicht bedauern muss."
Darauf hatte Gaia sie nicht vorbereitet. Und auch ihre Mutter hatte in all ihren Lehrstunden niemals daraus verwiesen, dass sie dem hier entgegen würde: einem aufrichtigen und interessierten König. Einem freundlichen und sanften Nero Valerius, der an ihren Gedanken interessiert war. Im Gegenteil hatte ihr Vater ihr einst mitgeteilt, dass es besser sei die flatterhaften Gedanken der Vesta Acillius hinter erprobten und festen Fassaden aus Glanz und Kühnheit zu verbannen. So fand die braune Amsel sich nun also am Scheideweg zwischen Wahrheit und Pflicht und war überrascht, wie einfach es fiel, den Blick in die Richtung eines lockenden, warmen Windes zu halten.
"Ich muss gestehen, dass mich euer Interesse erleichtert." Zwei dunkle wandten sich an sein Gesicht. Er war stattlich. Selbst, was Silas ihm angetan hatte, tat ihm keinen Abbruch. Hier und da hatte sie seltsame Worte über sein fehlendes Auge und gehört und dass es ihn in manchem Licht hart und grimm erscheinen ließ. Vesta musste widersprechen. Es machte ihn nahbar. "So können wir uns also in dieser Hinsicht ebenbürtig begegnen."
War es forsch? Sie wollte forsch sein. Sie wollte, was auch immer das hier war, jenseits aller amtlichen Abmachungen ergründen. Sollte sie früher oder später in kalte Gewässer fallen, so würde sie sich an den warmen Wind in ihren Segeln auf dieser Reise erinnern.
Vesta nickte zustimmend bei seinen letzten Worten. "Nun. Ich kann nicht für alle sprechen, doch es wirkt etwas leichter. Ich sehe unser Volk des öfteren wieder lachen. Sie alle blicken nach vorne in dieser neuen Welt. Wir werden noch weitere Feste feiern." Sie verneigte sich in ehrlicher Dankbarkeit. "Ich hatte mir schon länger gewünscht, euch dafür danken zu können. Verzeiht, dass es so spät erst kommt. Doch..." Sie deutete auf das tanzende, lachende Volk und die Frische einer Losgelassenheit, die neu und zart und zerbrechlich war. "Sie alle empfinden so." Sie wollte näher an ihn heran treten. Wollte erforschen, was dort hinter der Stärke verborgen lag, die nichts anderes nach außen dringen ließ. Sie wollte mehr sehen. Denn ihr König lachte. Noch nie hatte sie diesen Laut vernommen. Nie war ihr etwas so klar und zerbrechlich vorgekommen wie das Lachen des schwarzen Königs. Etwas in ihr war erwacht, wollte sich um diesen Moment legen und es behutsam in einen Kokon hüllen, dieses besondere, leichte Lachen.
"Sie werden es sicher verkraften, dass sie meine Aufmerksamkeit mit Euch teilen müssen.", sprach er und sie richtete unweigerlich ihren Blick auf jene Herren, denen sie noch eine Entschuldigung schuldig war. Gerade wollte sie die Lippen zu neuen Worten ansetzen, da löste er ihre Aufmerksamkeit von Anchor und Spartacus. Ihre Augen weiteten sich für einen Wimpernaufschlag in Überraschung, Nero fixierend. Er war wahrlich voller Überraschungen. War es Vesta selbst aufgefallen? Sie hatte den Blick nicht von ihm abgewandt. Sich ihres eigenen Mutes unbewusst erreichte ihr Lächeln die schwarzen Perlen. "Ich möchte gerne mit euch tanzen, Hoheit."
Nicht für Gaia Acillius und ihr Vermächtnis. Nicht für das Volk und die Zukunft des Landes. Sie kümmerte sich in diesem Augenblick nicht um politische Bündnisse und hochtragende Erwartungen. In diesem Augenblick wollte Vesta Acillius mit ihrem schwarzen König diese Leichtigkeit bewahren. In dieser gläsernen Kuppel erreichte sie kein verurteilender Blick, keine dunklen, eifersüchtigen und boshaften Worte und keine Kette legte sich um ihre Knöchel.
Und niemand würde es wagen, ihren sanften Wind auf stürmische Böen zu jagen.