09-29-2023, 10:58 PM
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 10-01-2023, 09:51 AM von Natsch.)
21. Tag des Spätwinters
Seit Kýras Tod waren bereits ein paar Wochen vergangen und die Herde ruhte an der Küste eines unbekannten Meeres, den Legenden fremder Pferde gefolgt. Worauf sie warteten? Das wussten sie nicht genau. Das was sie wussten war, dass sie nicht mehr viel Zeit hatten. Ihre Gruppe war stetig geschrumpft. Die einen waren der Meinung, dass Nero den Verstand verloren habe, wieder andere wollten an diesem Ort nicht auf ihren Tod warten und ja, manche hatten auch schlicht ihren Glauben verloren. Keinem von ihnen trug Nero es nach und so kam es, dass Cara nach einem letzten Gespräch zusammen mit ein paar anderen die Herde verließ. Darunter Aiko, Liméa, Aaragon Miles, Daphne, Ecair, Bryna und Etáin. Es schmerzte Nero, dass es ausgerechnet Cara gewesen war, die sein Gefolge verließ - doch er hielt sie nicht auf. Sie musste ihren Weg gehen und er den seinen. Der schwarze König war sich sicher, dass sie gut auf die Pferde Acht geben würde, die ihr Leben in ihre Hufe legten.
In der Nacht vom 21. auf den 22. Tag des Spätwinters, klarte der seit Tagen verhangene Himmel über den Köpfen der Pferde auf. Mittlerweile zählte die Herde nur noch knapp 50 Pferde und unter jenen, bereitete sich eine ungewöhnliche Unruhe aus. "Das Meer geht zurück!", flüsterte Penthesilea zu ihrer Mutter, die jedoch all ihren einstigen Glanz mit dem Verlust ihres zweiten Gefährten eingebüßt hatte. Asariel rappelte sich auf und schüttelte den Sand aus ihrem karamellfarbenen Fell.
Nicht nur sie, auch Tuana - die mittlerweile mit dem zusätzlichen Gewicht ihres Fohlens zu kämpfen hatte - spitzte die Ohren und blickte hoffnungsvoll in Ares' Richtung. Wenn es nach dem roten Hengst gegangen wäre, wären er und seine Gefährtin mit Cara in eine andere, wahrscheinlich bessere, Zukunft gegangen. Doch seine einnehmende Partnerin hatte ihn überzeugen können zu bleiben. Der in sich gekehrte Blick der Königin ruhte auf dem Horizont, während Nero ihr liebevoll über den eleganten Hals strich.
Und so setzte sich die Herde in Bewegung und passierte die schmale Passage die sich vor ihnen auftat. Der aufgeweichte Boden machte es ihnen schwer schnell voran zu kommen. Doch sie erreichten das neue Land - eine Insel - just in dem Moment als die Sonne aufging und das Wasser begann, bereits wieder ihre Fesseln zu umspülen. Wenige Stunden später ruhte hinter ihnen das unendlich wirkende Meer, als hätte es die Passage nie gegeben.
25. Tag des Spätwinters
Hinter der Küste entdeckten sie einen Wald, der zwar von Schnee bedeckt war aber ausreichend Nahrung bot, so dass die Herde sich ein wenig ausruhen und ihre Kräfte sammeln konnte. Der Marsch gegen die Zeit hatte sie alle einiges an Kraft gekostet.
Nach drei Tagen näherte sich ihnen ein fremder Hengst, der von zwei anderen Pferden begleitet wurde. Ihre Gestalten waren riesenhaft, kräftig gebaut und mit einem dichten, langen Winterfell. Der kühle Blick des Rostfarbenen ruhte auf Nero, den er deutlich überragte. Das Gespräch zwischen dem schwarzen König und dem Herrscher der Nordlande war lang und außer den beiden nahm keiner daran Teil.
20. Tag des Frühlings
Die ersten zarten Sonnenstrahlen küssten den letzten Schnee auf der weiten Steppe. "Nero..", flüsterte Echo mit einem verunsicherten Lächeln auf den Lippen, die die Zeichen ihres Körpers - aus einem alten Instinkt heraus - lesen konnte. Ihr Kind würde sich nun auf den Weg machen. Wie schon Tuana und Romana - die beide die Geburt ihrer Kinder gut überstanden hatten - würde sich ihr Leben nun um 180° wenden. Vorfreude aber auch Furcht ergriff den Verstand der hellen Königin.
25. Tag des Frühlings
Und dann war sie fort. Als Nero am Morgen des 25. Frühlingstages die Augen aufschlug, bemerkte er den leeren Platz neben sich und seinem Sohn. 'Sicher ist sie nur kurz beim See', beruhigte eine innere Stimme seine sofort aufgekeimte Sorge. Echo hatte sich seit der Geburt von Garrus seltsam verhalten. Sie hatte sich emotional von ihm distanziert, ihren Sohn nicht angesehen, beinahe ignoriert - ganz gleich wie oft er sie ansprach oder ihre Aufmerksamkeit forderte. Sie hatte ihn nicht ansehen können.
Ezrael hatte von diesem Phänomen gesprochen und gehofft, dass sich das legen würde. Es gab immer wieder Stuten die ihre Fohlen abstießen, in eine Art Depression verfielen. Da half es nur ihnen Zeit zu geben und sie nicht zu bedrängen.
Diesen Gedanken im Hinterkopf, erhob sich Nero und weckte seinen Sohn. "Komm, wir gehen Mal zum See...", erklärte der Rappe ihm und zusammen machten sie sich auf den Weg. Am See war die restliche Herde versammelt. "Ich habe Hunger...", nuschelte Garrus, der mittlerweile das Gefühl hatte, als wäre er nur eine Last für seine Mutter. Er hatte auch schon versucht, das zu essen was sein Vater aß, aber so ganz wollte das einfach nicht funktionieren. Romana kam auf ihren Bruder zu und begrüßte die beiden herzlich. "Echo ist weg...", Neros Stimme klang besorgt, Romana verstand und widmete sich Garrus. Er wurde satt.
20. Tag des Spätfrühlings
Seit Wochen suchten die Mitglieder der Herde nach ihrer Königin - doch der Erfolg blieb aus. Nero reiste sogar vor der großen Schmelze noch in die Nordlande - wo noch immer tiefer Schnee lag - und bat den Herrscher des Reiches ein Auge aufzuhalten, falls eine zierliche weiße Stute ihren Weg kreuzte. Iron versprach es und stellte eine Handvoll seiner Soldaten für sie Suche ab.