I. STERBENDE WELT
IV. KRIEG BLEIBT IMMER GLEICH » TAG 18. TAG DES SOMMERS
Das Sonnenlicht brach sich über dem Gipfel des Gebirges und lange Schatten zogen sich durch das Land Valeria, als der 18. Tag des Sommers anbrach. Es war ruhig, nahezu friedlich, als sich eine schwarze Gestalt durch den heiligen Hain schob. Ein letztes Mal beschritt er den Pfad, ein letztes Mal grüßte er die Toten, ihnen schwörend, sie nie zu vergessen und sich ihrer würdig zu erweisen. Sein Gang war schwerfällig und die Verletzungen, die bis zu diesem Tage noch nicht verheilt waren, zehrten an seinen Kräften. Die goldenen Iriden betrachteten einen großen Baum, unlängst waren die rosafarbenen Blüten abgefallen, welche nun die Früchte preisgaben, an denen sich Vögel und anderes Getier labte. Ein Seufzen rang sich aus seiner Kehle. An seiner Seite ein Fuchs - Anchor Aegidius. Ein Vertrauter, ein Freund, ein Teil seiner großen Familie. Sie schwiegen und doch bemerkte Nero Valerius die Sorge, die den anderen erfasst hatte nachdem der König ihm ein entscheidendes Versprechen abgerungen hatte. 'Egal was passiert, pass auf sie auf.'
Als Bryna die Stuten vor Sonnenaufgang versammelte und sie - wie Ecair es gesagt hatte - aus dem Tal hinaus führen wollte, stellte sich Nurija ihr in den Weg. Der Blick der Göttin war kalt, an ihrer Seite ihr 'Gemahl'. Sein Blick aus ruhigen Augen lag auf der feuerroten Stute. Mit einem Nicken signalisierte Silas seinem treuen Untertanen - Hector - eine der Stuten zu sondieren. "Ihr Leid, ist deine Schuld.", donnerte der König und ließ das junge Ding zu seinen Soldaten bringen. Sie war sowieso nicht weiter wichtig.
Als Silas an diesem Morgen sein Heer versammelte und sie in die letzten Feinheiten seines Plans einweihte, lag ein siegessicheres Lächeln auf den Lippen des Verbannten, des unrechtmäßigen Erbes Valerias. Sie würden gewinnen, dessen war er sich sicher und so war es auch nicht verwunderlich, als er Nurija befahl, dass sie am Abend des Tages über den geheimen Pfad mit den Stuten - ausgenommen Echo Valerius und Bryna - nachkommen sollte. Sie und die anderen Stuten sollten den Untergang sehen, sollten die Leichen zählen die er eingefordert hatte, die Seelen, die er verdammte. Sein Abschied war lieblos, wie es sich für einen Gott - dem keiner etwas entgegen zu setzen hatte - nun einmal gehörte. Für ihn war klar, dass er sie wiedersehen würde, auf der anderen Seite des Landes.
Doch sie waren nicht die einzigen, die sich auf einen Wandel vorbereiteten. Auch das Land in welchem sie lebten, schien von den Unruhen der Einwohner erfasst worden zu sein. Ein Beben ging durch die Erde, anfangs kaum wahrzunehmen, schwoll es im Laufe des Tages an.
Silas ignorierte die Warnzeichen des Steins, sah es sogar als ein gutes Omen an, dass sich das Land nun dem rechtmäßigen König offenbarte. Es war ebenso wild und unbezähmbar wie er.
Nero Valerius befahl die Stuten und die geschwächten Mitglieder der Monarchie an das westliche Ende des Tals, nah der Höhle, die Rhuen einst fand, zu bringen. Sie sollten beschützt werden von den wenigen Soldaten, die er entbehren konnte. Darunter waren Álvaro, Obsidian, Lucius Astoria und die beiden größten Leibwächter - Lantar Pheiros und Aurus Lux. Selbst seinem Leibheiler - Ezrael Achilléas - hatte er noch einmal einzelne Kampflektionen nahe gebracht, damit dieser in der Not den Soldaten zur Seite stehen konnte.
Als die Sonne den höchsten Punkt am Horizont erreichte, hatte der Mond endgültig seine Position in ihrer Mitte erreicht. Die Schatten verschwanden und eine seltsam anmutende Dunkelheit ergriff das Land.
Silas und seine Meute erreichten gerade einen verschlungenen Pfad, der sie von dem bekannten Weg in Richtung heiligen Hain in die Richtung der Kiesgrube führen würde. Der Anführer der Abtrünnigen erkannte darin eine Chance die Einwohner Valerias zu überraschen und nutze sie. Eine kleinere Gruppe von Soldaten, darunter Isaak und Ecair, zusammen mit Echo Valerius und Bryna - verfolgten den ursprünglich geplanten Weg, während Silas und der Groß seines Heers den anderen Weg nahmen. Auf einmal begann das bis dato stärkste Beben.
Ein tiefes Grollen zog durch den Stein, man hörte ihn brechen und wütend stieß schwarzer, heißer Rauch aus dem Krater in dem vor einigen Wochen noch das Refugium gelegen hatte. Es passierte das, was keiner erwartet hatte. Die Gebirgskette brach zusammen. Eine Schlucht tat sich auf, mehrere Kilometer breit und sie verschluckte einen Teil von Silas Heer. Sie schrien, sie brannten.
Das Spektakel blieb Neros Heer nicht verborgen und mit einer Mischung aus Angst und Faszination verließ ein Teil des königlichen Heers seinen Posten am heiligen Hain, machte sich auf den Weg in die Mitte des Landes, den Geräuschen - den Schreien - folgend, die sie vernahmen. Gabriel Noctis und Koraés Achilléas blieben mit weiteren Soldaten zurück um die Stellung zu halten.
Als Nero und seine Gefolgsmänner die Schlucht erreichten, bot sich ihnen ein schauerlicher Anblick. Vereinzelte Leichen säumten den breiten Pfad und doch war es nicht das schlimmste. Aus dem schwarzen Rauch lösten sich Gestalten, allem voran Silas, der mit einem irren Ausdruck in den Augen, den Befehl zum Angriff gab. Es waren nicht viele die ihm folgten, doch es waren immer noch mehr.